Die Biographin der einfachen Leute

Saarbrücken · Alena Wagnerovás baut seit gut 40 Jahren mit Büchern Brücken. Damit trägt sie Saarland-Impressionen nach Tschechien. Und sie erzählt an der Saar von bewegenden Lebensläufen aus der alten Heimat.

 Alena Wagnerová bei einer Lesung im Haus der Union Stiftung. Foto: Iris Maurer

Alena Wagnerová bei einer Lesung im Haus der Union Stiftung. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Auf dem Wohnzimmertisch von Alena Wagnerová liegt die Ausgabe der tschechischen Zeitung "Lidové noviny" (Volkszeitung) vom 30. Januar dieses Jahres. Sie schreibt darin in einem langen Artikel, wie die Flüchtlinge in Deutschland, speziell in Lebach, aufgenommen werden. "So konnte ich den Bekanntheitsgrad des Saarlandes in Prag erhöhen", sagt sie.

Alena Wagnerová ist deutsch-tschechische Schriftstellerin, die seit 1969 in Saarbrücken lebt. Geboren wurde sie in Brünn, in Mähren, wo sie auch aufwuchs. Bereits als junge Erwachsene auf dem Gymnasium schloss sie sich der literarischen Gruppe "Die 36er" an, zu der auch der junge Václav Havel gehörte. "Ich war und bin immer ein politischer Mensch", sagt Alena Wagnerová. Trotzdem studiert sie nach dem Abitur an der Universität in Brünn Biologie. "Die naturwissenschaftliche Fakultät war nicht so ideologisch gefärbt", erklärt sie ihre Wahl.

Als Biologin hat sie jedoch nie gearbeitet. Nach dem Examen orientiert sich Alena Wagnerová um, schreibt literarische Artikel für Zeitschriften und Rundfunk. Die 1960er-Jahre, eine Zeit der Liberalisierung der Tschechoslowakei, eröffnen ihr die Möglichkeit zu publizieren. Ein Vortrag führt sie 1967 nach Wien. Dort lernt sie ihren späteren Mann kennen. Für ihn verlässt sie ihre Heimat , zieht 1969 nach Saarbrücken . "Das Saarland ist meine zweite Heimat . Aber ich bin im Ausland lebende Tschechin, habe zwei Identitäten, ein Vorteil", sagt sie und lacht.

In Saarbrücken angekommen, versucht sie, weiterzuschreiben. Das ist erst mal gar nicht so einfach. Denn Alena Wagnerová muss sich nicht nur an ein neues Land und seine Kultur gewöhnen, sie muss auch in einer anderen Sprache schreiben. "Es war schon eine große Herausforderung."

Aber es gelingt ihr, nach und nach im Saarländischen Rundfunk, in der Saarbrücker Zeitung und später in der "Neuen Züricher Zeitung" Fuß zu fassen. 1974 folgt ihr erstes Buch in deutscher Sprache, "Die Frau im Sozialismus". "Manchmal habe ich für eine Seite einen Tag gebraucht; aber als es fertig war, sind mir kleine Flügel gewachsen", sagt sie. Seither hat die Mutter zweier Kinder viele Bücher veröffentlicht, Sachbücher zu aktuellen Fragen, aber auch Erzählungen und Biographien. "Die Menschen und die Kultur aus Mitteleuropa sind mein Thema", sagt sie und meint ihre alte Heimat .

Aber Alena Wagnerová schreibt nicht nur, sie hört auch gern zu. In drei Büchern berichtet sie über ihre ehemaligen Landsleute, die Sudetendeutschen, und deren Schicksale. "Mich interessieren gewöhnliche Menschen, die sonst vergessen werden", erklärt sie und lächelt. Auch heute hält sie engen Kontakt zu ihrer alten Heimat , fährt oft nach Prag. Trotzdem hat sie in Saarbrücken noch eine weitere Kultur für sich entdeckt. "Ich liebe das Elsass und Frankreich."

Daher ist ihr nächstes Projekt ein Kinderbuch, dem die provenzalische Legende von der heiligen Martha und dem Drachen aus Tarascon zugrunde liegt. "Ich habe bereits eine tschechische Illustratorin. Das Buch soll auf Tschechisch, dann auf Deutsch und auch auf Französisch erscheinen. Daran arbeiten wir", sagt die europäische Kulturvermittlerin.

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