Der Vorteil eines langen Atems

Saarbrücken · Am 19. November ist in der Hochschule der Bildenden Künste ein Informationstag für Studieninteressierte. Derzeit studieren 400 junge Leute hier. Aber was erwartet die jungen Künstler nach dem Ende des Studiums? Macht solch ein Kunststudium überhaupt Sinn? Die Saarbrücker Studentin Nastassja Sirrenberg hat sich diese Frage auch gestellt. Sie studierte interkulturelle Kommunikation und Französische Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes und absolviert gerade ein Auslandsjahr in Metz. Sie hat die Künstlerin Tatjana Basting nach den Folgen ihres Traums von der Kunst befragt.

 Tatjana Basting will sich lieber nicht ausmalen, wie es wäre, wenn sie eine verhinderte Künstlerin geworden wäre. Foto: Tatjana Basting

Tatjana Basting will sich lieber nicht ausmalen, wie es wäre, wenn sie eine verhinderte Künstlerin geworden wäre. Foto: Tatjana Basting

Foto: Tatjana Basting



Frau Basting, Sie haben 2000 bis 2006 "Visuelle Kommunikationen" studiert und sich seither als Künstlerin selbstständig gemacht. Haben Sie während des Studiums das Gefühl vermittelt bekommen, es sei eine Illusion, den Beruf der freien Künstlerin anzugehen?

Basting: Es war eine Mischung aus Ermutigung oder Aufforderung, das eigene künstlerische Potenzial zu entdecken und auszuleben und den regelmäßigen Hinweisen darauf, dass es nur wenigen Künstlern gelingt, von ihrer Kunst zu leben. Mein Eindruck war, dass Professoren aus den angewandten Bereichen da besonders drauf hingewiesen haben. Man wurde immer wieder daran erinnert, dass der Konkurrenzdruck groß ist. Damit sollte aber auch unser Ehrgeiz angesprochen werden, um nicht in der Bequemlichkeit und im Mittelmaß zu bleiben.

Lässt sich das Künstlerdasein finanzieren oder ist Kunst tatsächlich ein brotloser Beruf?

Basting: Ich kenne Künstler, die von ihrer Arbeit leben können, einige auch recht gut. Ich kenne auch einige, die wie ich nebenbei in Teilzeit arbeiten, etwa auch im künstlerisch-pädagogischen Bereich, die Unterricht oder Workshops geben. Ich habe nie versucht, von meiner Kunst zu leben und auch recht spät mit dem Studium angefangen. Deshalb bin ich schon während des Studiums arbeiten gegangen, um von meinen Eltern unabhängig zu sein. Diese Unabhängigkeit habe ich schätzen gelernt und hätte ich nie aufgegeben.

Sie haben eine feste Anstellung bei einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt. Wie lassen sich der Arbeitsdruck und die strengen Arbeitszeiten in Ihrem Beruf mit der Selbstständigkeit vereinbaren?

Basting: Eine feste Anstellung wäre eine feine Sache. Ich arbeite als freie Mitarbeiterin, aber mit einer recht guten Bezahlung. Ich arbeite in Teilzeit, so habe ich mein regelmäßiges Einkommen und genug Zeit, um als Künstlerin zu arbeiten. Irgendwie geht es immer. Leider kann ich durch den zeitlichen Druck nicht immer leisten, was ich gerne leisten würde. Aber vielleicht ist es auch normal, dass man das Gefühl hat, man hätte es besser machen können. Was mir dabei hilft, Kunst und Brotjob unter einen Hut zu kriegen, ist, dass ich meine künstlerische Arbeit nicht unbedingt als Arbeit sehe: Ich mache die Arbeit am Sender durchaus gerne, aber Liebe ist es nicht. Und bei der Kunst ist es das eben.

Woher nehmen Sie in diesem Arbeitssystem die Inspiration und die Zeit, sich so intensiv um die Kunst zu kümmern?

Basting: Gute Frage. Ich habe mal zwei Jahre lang fast Vollzeit gearbeitet und bin an meine Grenzen gekommen, einfach weil mir Zeit gefehlt hat. Aber ich war deswegen nicht uninspiriert. Ich kann meine Inspiration überall finden, und meistens kommt sie einfach beim Tun. Ich habe aber das Glück, dass, wenn ich Feierabend habe, meine Arbeit erledigt ist. Ich nehme von der Arbeit gedanklich nichts mit nach Hause. Ich kenne Künstler, die sagen, sie könnten das so nicht. Ich kenne es aber nicht anders, und ich lebe gut damit.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Basting: Ich bereite gerade zwei Bewerbungen für Ausstellungen vor. Meine Pläne auf der künstlerischen Seite sind: weiter auf Ausstellungen bewerben, eine Galerie finden, die mich vertritt, einfach weiterarbeiten. Es gibt Techniken, die ich ausprobieren möchte, und ich möchte wieder mehr mit Farbe arbeiten. Zurzeit arbeite ich sehr monochrom. Mein Plan ist, mutiger in meiner Arbeit zu sein, weniger Angst haben, abgelehnt zu werden. Und weiterhin Kontakte knüpfen und Netzwerke ausbauen.

Darf man erfahren, wie viel sie für ein Bild nehmen?

Basting: Für kleinere Drucke nehme ich zwischen 70 und 100 Euro, für Originalzeichnungen ab 250 Euro aufwärts. Das kommt auf die Größe und die Technik an, und darauf, wie viele jemand kauft. Einmal habe ich zehn Zeichnungen auf einmal verkauft, da bin ich im Preis ein wenig runter, zumal ich den Käufer kannte.

Was geben sie den angehenden Kunststudenten der HBK Saar mit auf den Weg?

Basting: Sich selbst treu bleiben und nicht den Mut verlieren. Man sollte seinen Selbstwert auch aus anderen Sachen ziehen können, wenn es mal nicht so gut läuft. Ich finde es im gesamten Leben von Vorteil, einen langen Atem zu haben. Wenn man künstlerisch arbeiten will, stellt sich gar nicht die Frage nach dem Sinn. Aber wenn man weiß, dass einem Geld wichtig ist und man finanziell abgesichert sein möchte, dann sollte man drüber nachdenken, ob das der richtige Weg ist. Ich persönlich fand es in meinem Leben immer von Vorteil, einen Plan B in der Tasche zu haben.

Würden Sie diesen Weg noch einmal gehen?

Basting: Habe ich auch schon drüber nachgedacht. Es ist nicht so, dass ich nicht auch in anderen Sachen gut bin. Ich würde mich ganz sicher wieder für die Kunst entscheiden. Hätte ich es nicht getan, würde ich es jeden Tag bereuen.

Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es wäre, wenn ich eine verhinderte Künstlerin geworden wäre.

Zum Thema:

Hintergrund Tatjana Basting wurde 1972 geboren und lebt heute in Berlin. Sie studierte von 2000 bis 2006 "Visuelle Kommunikation " an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Über ihre Kunst sagt sie: "Ich zeichne vor allem. Meine Arbeiten sind gegenständlich. Und ich arbeite eher kleinformatig und gelegentlich auch mit Installation und Fotografie. Und ich setze meine Zeichnungen auch in Bewegung. Ich mache Animationen daraus, die aber wie Bilder funktionieren, weil sie keine Geschichte erzählen. Außerdem arbeite ich von Zeit zu Zeit mit einem Klangkünstler zusammen und habe mit ihm Klangobjekte gebaut und animierte Projektionen für Konzerte gemacht."Die Hochschule der Bildenden Künste des Saarlandes wurde 1989 gegründet und hat rund 400 Studienplätze. Das Studienangebot: Freie Kunst, Kommunikationsdesign, Media Art & Design und Kunsterziehung .

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