Der Türke ist der neue Russe

Saarbrücken · Der Russe hatte einen stechenden Blick, war unrasiert, roch nach Wodka, war furchtbar gemein, wenn nicht sogar mordlüstern, er hatte es auf unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Frauen abgesehen. Und das Schlimmste war: Er stand vor der Tür. Bei der Bundeswehr hatte man den Eindruck: Die kann den Russen höchstens so lange aufhalten, bis richtiges Militär kommt. Da konnte man sich schon Sorgen machen. Das wollten diejenigen, die vorgaben, dafür zu sorgen, dass die Tür zubleibt, wenn der Russe kommt, wohl auch.

Es sei eine "Angst vor den Freunden", die da geschürt werde, schrieb Oskar Lafontaine 1983 in seinem gleichnamigen Buch. Es war dieses Buch gepaart mit dem Gefühl, dass die Welt nicht so schwarz-weiß ist, wie man uns weismachen wollte, die bei mir und meinen Freunden aus der Angst eine Mischung aus Widerspruchsgeist und Galgenhumor werden ließ.

Der ein oder andere wähnt den Russen auch heute noch vor der Tür. Aber als Bösewicht wird er gerade abgelöst - vom Türken. Der steht allerdings nicht vor der Tür. Zu dem wird man geschickt. So lautet jedenfalls die Drohung, die ein Mann aus Klarenthal diese Woche bekommen hat. Das lief so:

Das Telefon klingelt. Der Mann, der sich meldet, behauptet, beim Landeskriminalamt zu arbeiten. Er hat eine schlimme Nachricht: Es gibt einen Auslieferungsantrag der Türkei. Da liege etwas gegen ihn vor. Das Landeskriminalamt, versichert der Mann dem Klarenthaler, glaube an seine Unschuld. Aber man müsse ihn trotzdem erstmal abschieben, auch wenn er deutscher Staatsbürger ist. Am 24. August kommen zwei Beamte und bringen ihn zum Flughafen. Den Flug zahle der deutsche Staat. In der Türkei warte schon eine Anwältin, die den Klarenthaler verteidige. Es sei hart, aber eben unvermeidlich - es sei denn, der Klarenthaler zahle 6800 Euro, jetzt, schnell, sonst, wie gesagt, ab zum Türken.

Der Klarenthaler hat einen Schreck bekommen. Dann hat er den Anrufer beschimpft, dann die Polizei angerufen. Die sagt: Ein übler Trick sei das, um Menschen zu betrügen, mit ihrer Angst Geld zu machen. Mann soll sich auf keinen Fall darauf einlassen. Auch wenn der Türke jetzt der neue Russe ist.

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