„Der Tod kommt vor“

Saarbrücken · „Friedhöfe erzählen Geschichten“, sagt der Leiter des städtischen Bestattungsbetriebs, Uwe Kunzler. Deshalb sei der Saarbrücker Hauptfriedhof ein guter Ort, an dem Autoren aus ihren Büchern lesen, findet er.

 Der Krimiautor Peter Jackob startete am Mittwoch die Lesereihe auf dem Hauptfriedhof.

Der Krimiautor Peter Jackob startete am Mittwoch die Lesereihe auf dem Hauptfriedhof.

 Die alte Einsegnungshalle. Fotos: Rolshausen

Die alte Einsegnungshalle. Fotos: Rolshausen

Draußen zwitschern Vögel über Gräbern. In der alten Einsegnungshalle auf dem Saarbrücker Hauptfriedhof schmettern Jagdhörner aus den Lautsprechern. Die Vögel, die dort stehen, wo sonst Särge aufgebahrt werden, schweigen. Sie sind ausgestopft - wie der Frischling und das Murmeltier. Die präparierten Tiere, zwei Geweihe, ein schmutziger Spaten sind Kulisse für "Die Jagdgesellschaft von Billingshurst". So lautet der Titel des Sherlock-Holmes-Romans von Peter Jackob, aus dem der Autor am Mittwochabend gelesen hat.

Als Krimiautor habe er ja "von Dienst wegen mit dem Tod zu tun". Dass er in einer Friedhofshalle liest, sei dennoch "ungewöhnlich". So ungewöhnlich findet das der Leiter des Friedhofs- und Bestattungsbetriebs der Landeshauptstadt, Uwe Kunzler, nicht. Auf einem Friedhof aus einem Krimi zu lesen, sei naheliegend, findet er, gelte doch für Krimis wie für den Friedhof: "Der Tod kommt vor."

Dass Kunzler und Monika Sommer-Hasenstein vom Saarbrücker Gollenstein-Verlag Autoren auf den Friedhof einladen, habe aber nichts mit Effekthascherei zu tun. Friedhöfe, erklärt Kunzler, sind "Spiegelbilder des Lebens". Sie erzählen Geschichten von berühmten und weniger berühmten Menschen, sie erzählen von der Unsinnigkeit des Krieges, von der Geschichte der Stadt und des Landes.

Was liegt also näher, als an einen solchen Ort Menschen einzuladen, die Geschichten zu erzählen haben. Peter Jackobs Detektivgeschichte zum Beispiel, in der Menschen, wie er sagt, "von einer perfekten Welt in einen perfekten Albtraum" geraten.

Wer sich die Zeit nimmt, vor oder nach einer der bis Jahresende geplanten Lesungen, wird vielen Geschichten von Leben und Tod begegnen. Womöglich auch der Geschichte, die auf einer Infotafel erzählt, wie Menschen mit Hilfe des Hauptfriedhofs, der damals noch Südfriedhof hieß, von einem Albtraum in eine bessere Welt kamen.

1935 war die Friedhofsmauer auch Staatsgrenze. Und zumindest einigen Antifaschisten ist es gelungen, als Friedhofsbesucher getarnt auf der Flucht vor den Nazis durch ein Loch in der Mauer nach Frankreich zu entkommen - während über Gräbern Vögel zwitscherten.

Die nächsten Lesungen auf dem Hauptfriedhof (jeweils um 19 Uhr): Walter Wolter liest aus seinen Detektivromanen (25. Juni), Mark Heydrich liest aus seinem Band "Cloud City" (27. August), Martin Bauer liest aus seinem Krimi "Ein dreckiger Sack" (17. September), Ellen Widmaier liest aus ihrem Roman "Spatzenkirschen" (8. Oktober), Roger Bichelberger liest aus seinem Roman "Das Mädchen mit dem goldenen Stern" (12. November).

saarbruecker-friedhoefe.de

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