Der „Scheele Hofrat“ und seine Familie

St Wendel · Fast vergessen ist die Familie von Hame im heutigen St. Wendel. Doch bestimmte sie 200 Jahre die Geschicke der Stadt. Gerd Schmitt beleuchtete die Geschichte dieses einflussreichen Geschlechts in einem Vortrag, der der erste Teil einer Reihe war, die anhand dreier bedeutender Familien die Geschichte der Stadt St. Wendel darstellt.

 Seit Pfingsten 2013 erinnert eine Gedenktafel an der Wendelskapelle an die Erbauer. Darauf zu sehen sind die Familienwappen der Familien von Hame und von Hauzer. Foto: Roland Geiger/VA

Seit Pfingsten 2013 erinnert eine Gedenktafel an der Wendelskapelle an die Erbauer. Darauf zu sehen sind die Familienwappen der Familien von Hame und von Hauzer. Foto: Roland Geiger/VA

Foto: Roland Geiger/VA

Zwei Jahrhunderte lang gab diese Familie den Ton an in St. Wendel, hinterließ ihre Spuren in der Stadtgeschichte und im Stadtbild. Dahme oder Dhame, D'hame und d'Hame, schließlich de Hame oder von Hame - in den Akten gibt es viele Schreibweisen des Familiennamens, der die Stadt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert prägte. Über dieses einflussreiche Geschlecht referierte Gerd Schmitt vor über 30 Zuhörern im Mia-Münster-Haus.

Zwei Brüder und eine Schwester - Johann, Leonhard und Maria Dhame - verließen in den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts ihre Vaterstadt Welschbillig bei Trier und kamen nach St. Wendel. Doch hielten Epidemien, Katastrophen, wirtschaftliche Turbulenzen in der Folgezeit die Stadt in ihrem Würgegriff. "Die Brüder waren aber gewiefte Verwaltungsfachleute. Die Neuankömmlinge fanden bald Anschluss an die St. Wendeler Oberschicht", sagte Schmitt.

Den älteren Bruder, Johann, wurde 1592 zum obersten Finanzverwalter im Amt St. Wendel ernannt. Schmitt: "Er hatte Einblick in die hiesigen Vermögensverhältnisse. So ist es nicht verwunderlich, dass er sein Wissen auch für die Mehrung des eigenen Vermögens nutzte." 1610 starb Johann als reicher Mann.

Sein Bruder Leonhard wurde zunächst Hochgerichtsschreiber, 1604 Schultheiß. Der neue Hochgerichtsschreiber, Balthasar Kueffer, prangerte wachen Blickes Amtsverstöße und die offensichtliche Misswirtschaft Leonhards an. Jedoch obsiegte in diesem verbittert geführtem Kampf der Neuankömmling. "Kueffer verlor dadurch sein gesamtes Vermögen", erläuterte Schmitt. Nun, da der Widersacher ausgeschaltet war, vermehrte Leonhard ungebremst Macht und Vermögen, bis zu seinem Tod 1635.

1635 in den Adel erhoben

Der ersten folgte die zweite Generation. Schmitt: "Hervorzuheben ist hier seiner Geradheit, Offenheit und Tüchtigkeit wegen Johann Wilhelm Dhamian." 1591 als Sohn des Johannes, des älteren Bruders, geboren, studierte er in Flandern, kehrte nach St. Wendel zurück, wurde Hochgerichtsschöffe, später Abgeordneter St. Wendels beim trierischen Landtag. 1635 wurde er Hochgerichts- und Stadtschultheiß, stand somit an der Spitze seiner Vaterstadt.

Im gleichen Jahr erhob ihn Kaiser Ferdinand II. in den Adelsstand - in unruhigen Zeiten, mehrere Jahre lang zogen fremde Truppen durch das Land, raubten, forderten Abgaben. 1657 starb er, sein Nachfolger wurde sein Sohn Johann Dhame.

Der Landesherr und die Bevölkerung schätzten die Tüchtigkeit dieses neuen Stadtoberhauptes. Doch erneut überzogen Kriege Land und Stadt, 1677 ging St. Wendel auf französischen Befehl hin in Flammen auf. Schließlich wollte Frankreich alle einst in Lehnsabhängigkeit stehenden Gebiete annektieren - und dazu gehörte auch St. Wendel. "Der St. Wendeler Magistrat musste den Huldigungseid auf den König von Frankreich schwören", legte Schmitt dar. Die Amtsbezeichnung Dhames hieß nun "Bailly et juge Royal de Saint Vandel". Diesen Titel übernahm sein Sohn und Nachfolger Damian Hartard D'hame.

Sein Ziel: Macht und Geld

Zwar endete die französische Episode 1697, allerdings gingen auch zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Kriege weiter. Das Stadtoberhaupt versuchte zwischen den Kriegsparteien zu lavieren. 1718 starb er, sein Sohn Franz Ernst D'hame folgte ihm im Amt - kaum 20-jährig. Sein erklärtes Ziel: Macht und Geld. "Selbstherrlich und skrupellos erwarb er durch Kauf und Tausch ein immer mehr anwachsendes Vermögen", erklärte Schmitt. Die St. Wendeler nannten ihn "den scheelen Hofrat", der, wie seine Vorfahren, ebenso mit durchziehenden Truppen fertig werden musste. Er baute aber auch ein neues Amtshaus, das heutige Rathaus I. Im Giebelfeld befindet sich bis heute das Familienwappen. 1753 errichtete er über dem Wendelsbrunnen einen Steinbaldachin - auch dieser ist noch heute zu sehen. Schmitt: "Zwei Jahre später ließen er und seine Gemahlin Maria Katharina von Hauzer die jetzige Wendelskapelle erbauen, ein Schmuckstück des Rokoko." Seit Mai 2013 erinnert eine Gedenktafel an der Kapelle an die Erbauer.

Der "scheele" Hofrat stand allerdings im Fokus der Kritik, gingen doch zahlreiche Beschwerden über seine Amtsführung ein. Ohne gravierende Konsequenzen. 1769 trat er seine Ämter an seinen Sohn ab.

Ihm, Damian Joseph von Hame, fehlte das politische Geschick seiner Vorfahren, er galt als unfähig und starb 1779 ohne Nachkommen. Ein neues Geschlecht übernahm das Ruder in der Stadt, die Cettos.

Über die Familie Cetto wird Roland Geiger am kommenden Mittwoch, 4. Juni, um 19 Uhr, ebenfalls im Mia-Münster-Haus referieren.

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