Der Notfall als Dauerzustand

Saarbrücken · Der Personalrat schlägt Alarm. Die Stadtverwaltung sucht Personal. Viele Eltern sind sauer. Und für die 487 städtischen Erzieherinnen und Erzieher wird die „dünne Personaldecke“ immer mehr zur Belastung.

Dass es gut läuft in der Burbacher Kindertagesstätte (Kita) Füllengarten, kann Christian Stein schon seit einigen Monaten nicht mehr sagen. Seit Dienstag dieser Woche ist er aber richtig sauer. Da hat die Kita-Leitung den Eltern nämlich mitgeteilt, dass bis Ende der Woche nur noch Berufstätige und Alleinerziehende ihre Kinder abgeben sollen.

Für Stein und andere Eltern ist das eine "neue Eskalationsstufe". Zuvor wurden nämlich bereits die Öffnungszeiten der Kita verkürzt. Statt von 7 bis 17 Uhr wurde nur noch von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Für Berufstätige sei das mit diesen verkürzten Zeiten schwierig, sagt Stein. Aber genau damit werbe die Stadt Saarbrücken ja: Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch ihre Kitas zu ermöglichen.

"Viele Eltern sind am Ende mit ihren Nerven", weiß Stein. Und dass nun ein Teil der Eltern aufgfordert wird, die Kinder nicht in die Kita zu bringen, sei nicht Ordnung - zumal ja alle ihre Beiträge zahlen. Wobei Stein und andere Eltern betonen: Die Leitungen der Kitas können nichts für diese Situation. Im Gegenteil: Die Leiterinnen und Leiter der Kitas, die Erzieherinnen und Erzieher leiden ebenso wie die Kinder und Eltern unter der Personalknappheit, die nicht nur zu verkürzten Zeiten, sondern auch dazu führt, dass Kinder bei schönem Wetter nicht rauskönnen, weil nicht genug Personal da ist, um Kinder drinnen und draußen zu beaufsichtigen.

Am Anfang haben viele Eltern Verständnis gehabt dafür, dass wegen einiger Krankheitsfälle oder Schwangerschaften zu wenig Personal da ist. Aber so gehe das jetzt schon seit Oktober/November, sagt Stein. Und da höre das Verständnis dann langsam auf.

Auch der Personalrat der Stadtverwaltung, der auch die 383 Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas und die 104 in den Ganztagsschulen und auf den Abenteuerspielplätzen vertritt, bemängelt, dass aus Notfalllösungen in den Kitas längst ein Dauerzustand geworden ist. Seit Monaten sei in fast allen 20 städtischen Einrichtungen zu wenig Personal - gemessen an der "Mindestpersonalisierung", die das Landesjugendamt für die jeweilige Kita-Betriebsgenehmigung vorgeschrieben hat. 25 Vollzeitstellen seien demnach zurzeit unbesetzt, hat der Personalrat ausgerechnet.

Diese Zahl bestätigte Stadtpressesprecher Thomas Blug gestern auf SZ-Anfrage. "Wir haben in unseren Kindertageseinrichtungen zurzeit einen Personalengpass", sagt er. Gründe seien "Erkrankungen, Schwangerschaften, Elternzeiten". Hinzu komme "die große Nachfrage nach Erzieherinnen und Erzieher auf dem Arbeitsmarkt, was zu einer erhöhten Fluktuation geführt hat". Im Klartext: Erzieherinnen aus städtischen Kitas haben zu privaten Trägern (Wohlfahrtsverbände, Kirchen) gewechselt. Deshalb seien 25 Stellen "nicht beziehungsweise nicht mit vollen Stundenanteilen besetzt". Die Kita Füllengarten müsse daher bis zum 4. März "wegen Nichterreichens des vorgeschriebenen Personalschlüssels in Notbetrieb gehen". Um Ausfälle" aufzufangen und die Belastung für das eingesetzte Personal zu vermindern sowie die Attraktivität der städtischen Einrichtungen als Arbeitsplatz zu erhöhen und die Mitarbeiter langfristig zu binden", werde die Stadtverwaltung dem Personalausschuss und dem Stadtrat "vorschlagen, insgesamt 19 Erzieherinnen und Erzieher im Springerdienst einzustellen". Der Stadtrat tagt am 15. März.

Handlungsbedarf gibt es aus Sicht der Stadtverwaltung auch, weil das "Personal einer erheblichen Mehrbelastung ausgesetzt ist". "Dadurch sind weitere Krankheitsausfälle und Wechsel zu anderen Trägern zu befürchten", sagt Blug.

Meinung:
Problemlösung geht anders

Von SZ-RedakteurMartin Rolshausen

Die Stadtverwaltung fragt den Stadtrat Mitte März um Erlaubnis, 19 Erzieherinnen einstellen zu dürfen. Mitte März! Obwohl die Kinder, die Eltern und die Beschäftigten in den Kitas bereits seit etwa vier Monaten unter der Personalnot leiden. Bis die Stellen ausgeschrieben und besetzt sind, dürften weitere Monate ins Land gehen. Und wieso nur 19 Stellen, wo doch mindestens 25 neue Stellen notwendig wären, um den Druck wegzunehmen? Nach echter Problemlösung klingt das nicht.

Die Verantwortlichen sollten sich am 9. März, 18 Uhr, im Rathausfestaal treffen. Da informiert die Stadtverwaltung Firmen über "Wege zu erfolgreicher Fachkräftesicherung" und über "Strategien, um sich als Arbeitgeber attraktiver zu machen".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort