„Der europäische Motor braucht Benzin“

Saarbrücken · Einst galten Deutschland und Frankreich als die treibenden Kräfte in Europa. Heute scheinen sie auseinanderzudriften. Zwei Experten lieferten nun konkrete Ansätze, wie sich beide Länder zusammenraufen könnten – zum Wohle der EU.

Zum Auftakt der Gesprächsreihe "Forum Villa Europa" hat Europaminister Stephan Toscani (CDU ) den Präfekten und Diplomaten Philippe Gustin sowie Stephan Martens, Professor für Deutschlandstudien an der Uni Cergy Pontoise, nach Saarbrücken eingeladen. In ihrem Essay "Deutschland und Frankreich - Der Neustart des europäischen Motors" (erschienen in den "Genshagener Papieren") liefern sie dem stotternden Motor Europas Ansätze für einen Neustart.

Dass die beiden Nachbarländer nicht mehr auf der gleichen Wellenlänge seien, erkläre sich durch die Rollenverschiebung. "Als die Idee der Europäischen Union (EU) geboren wurde, war Frankreich der starke Partner", erläuterte Stephan Martens. "Nun hat sich die Lage gedreht. Frankreich ist wirtschaftlich abgehängt und Deutschland hat de facto eine alleinige Führungsrolle auf europäischer Ebene annehmen müssen", ergänzte Philippe Gustin. Dass es zwischen den beiden zur Liebesheirat kommen wird, glauben beide Experten nicht. Dennoch müssten sich beide Staaten zwangsläufig wieder annähern. Denn für den Diplomaten Gustin steht angesichts des Aufstiegs europa-skeptischer Parteien fest: "Der europäische Motor braucht Benzin ".

Steuersysteme angleichen

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung sei eine Harmonisierung der deutschen und französischen Steuersysteme . Gelinge ein vereinheitlichtes Steuerwesen zwischen beiden Ländern, könnten auch weitere EU-Länder einbezogen und mehr Gerechtigkeit in Europa erreicht werden. Wünschenswert wäre für Gustin und Martens ebenfalls, in den jeweiligen Kabinetten einen eigenen Ministerposten für die deutsch-französischen Beziehungen zu schaffen. "So hätte man zum Beispiel Irritationen in Deutschland über die französische Schulreform vermeiden können", erklärte Gustin.

Sowieso sei die Sprache die grundlegende Basis der Beziehung. Dabei reiche laut Gustin der reine Sprachunterricht nicht aus, man müsse auf integrierte Bildungsmodelle setzen wie das Deutsch-Französische Gymnasium in Saarbrücken - "der Roll's Royce in diesem Bereich".

Genau diese Annäherung strebe das Saarland mit der Frankreich-Strategie an, merkte Europaminister Toscani an. Dafür gab es von beiden Experten Lob, dennoch "müssen wir aufpassen, dass diese Vorreiter-Initiative nicht als Ausrede missbraucht wird, um zu sagen ‚Seht doch, wir haben genug Kooperationen'", warnte Gustin. "Das ist nicht unser Ziel, im Gegenteil", antwortete Toscani. "Wir wollen damit zur europäischen Referenzregion werden. Was hier klappt, kann auf die deutsch-französische Beziehung allgemein übertragen werden und dient so der Annäherung."

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