„Deneb ist ein Monster“

Saarbrücken · Einfach macht es uns dieser Sommer nicht, sich mit ihm anzufreunden. Doch hinter den dicken Wolken und der schwülen Hitze liegen kleine Geschichten, die es wert sind, ein wenig genauer hinzuschauen. In unserem heutigen Saarbrücker Sommerinterview erzählt uns Amateur-Astronom Wolfgang Weyrich, welcher berühmte Stern im Sommer über den Saarbrücker Scheiteln funkelt. Die Fragen stellte SZ-Redakteur Alexander Manderscheid.

 Der Sternenhimmel über dem Saarbrücker Stadtteil Rodenhof: Die helle Straßenbeleuchtung verschlechtert die Sicht.Foto: Oliver Dietze

Der Sternenhimmel über dem Saarbrücker Stadtteil Rodenhof: Die helle Straßenbeleuchtung verschlechtert die Sicht.Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Herr Weyrich, weil die Erde im Laufe des Jahres einmal um die Sonne wandert, haben wir im Winter einen anderen Sternenhimmel als im Sommer. Sie als Hobbyastronom, freuen Sie sich auf den Sommer?

Weyrich: Eigentlich ja. Aber ich bin ein atypischer Astronom. Ich sehe nicht gut, nur noch zwei bis drei Prozent, und befasse mich eher mit der Vereinsführung und halte Fachvorträge unter anderem an der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Den Saturn kann ich durch das Teleskop noch erkennen, ich sehe aber nicht mehr seine Einzelheiten. Der typische Astronom will lieber den Winternachthimmel beobachten, weil der die prachtvolleren Sternbilder zu bieten hat.

Das klingt, als wäre der Sommernachthimmel langweilig.

Weyrich: Ganz im Gegenteil. Über unserem Scheitel befindet sich nachts das Sternbild der Leier. Ihr Hauptstern, die Wega, war einst unser Polarstern und erzählt uns viel über das Schlingern der Erde. Mal zeigt deren Achse auf die Wega, dann wieder auf unseren heutigen Polarstern. Dazwischen liegen etwa 13 000 Jahre.

Was gibt es noch zu sehen?

Weyrich: Richtung Osten haben wir das Sternbild des Schwans mit dem Hauptstern Deneb und der Adler mit Altair. Zusammen mit Wega sind die beiden die hellsten Sterne im Sommer. Deneb ist ein Monster. Er wird eines Tages in einer Supernova explodieren und durch die dann freigesetzte Gammastrahlung für uns lebensgefährlich werden. Aber bis dahin dauert es noch ein paar Millionen Jahre. Wie monströs er ist, erkennt man in seinem Vergleich zur Wega. Denebs Licht braucht etwa 1600 Jahre, bis es bei uns ist, das von der Wega nur 25. Und dennoch wirken beide für unsere Augen gleich.

Abgesehen von den unterschiedlichen Sternbildern: Welche Unterschiede zwischen Sommer und Winter gibt es noch?

Weyrich: Im Sommer gibt es viel größere Kontraste zwischen schattigen und durch die Sonne aufgeheizten Flächen auf dem Boden. Die Luft, durch die man nach oben sieht, ist dadurch unruhiger als im Winter . Das lässt die Sterne für den Beobachter wackeln. Der Laie denkt, dass sie funkeln.

Lassen sich denn die Sterne überhaupt noch gut sehen?

Weyrich: Freunde von mir packen hin und wieder ihre Sachen und fahren in die Alpen, fliegen in die Namib oder in eine andere Wüste, um die Sterne zu beobachten. Dort finden sie einen richtig schönen, dunklen Nachthimmel vor.

Das ist in Saarbrücken wahrscheinlich schon so gut wie unmöglich?

Weyrich: Schon in den 70er-Jahren war das Bedauern groß, dass der Sternenhimmel immer schlechter zu sehen ist. Wenn wir die Verhältnisse von damals hätten, wären wir heute froh. Die Milchstraße sieht man in Saarbrücken nicht mehr, und bei uns an der Sternwarte auf dem Peterberg ist das wohl auch bald so.

Was sind die Ursachen?

Weyrich: Global Diming: immer mehr Flugzeuge mit ihren Kondensstreifen, immer mehr Autos und Industrie und Staub, der vom Boden aufgewirbelt wird. Und dazu kommt noch die zunehmende Lichtverschmutzung. Es wird nachts immer heller. Die Straßenbeleuchtung wird nach und nach auf LED-Lampen umgerüstet. In Sachen Energiesparen ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Sie sind aber zu hell und falsch ausgerichtet. Etwas dunklere reichen vollkommen aus und hätten auch weniger negative Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Natur und den Menschen, der durch die zu hellen LEDs zu viel UV-Strahlung abbekommt und dadurch sogar krank werden kann.

Wie weit muss man denn aus Saarbrücken raus, um noch einen schönen Sternenhimmel zu sehen?

Weyrich: Ich würde immer in eine von Licht abgeschirmte Gegend gehen, vielleicht in einen Wald mit einer guten Lichtung, auch wenn man dann ein wenig vom Horizont einbüßt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Gegend um Bischmisheim oder Ensheim noch einen tollen Sternenhimmel bietet.

Wolfgang Weyrich, 56, aus Saarbrücken hat sein erstes Teleskop von seinem Vater bekommen, der es ihm aus alten Wasserrohren zusammengebaut hatte. Heute ist Wolfgang Weyrich Diplom-Informatiker und wirkt als stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Amateur-Astronomen des Saarlandes. Der Verein betreibt die Sternwarte auf dem Peterberg bei Nonnweiler.

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