Demokratie-Wahnsinn in 17 Akten

Vier Stunden lang hat der Saarbrücker Stadtrat am Dienstag über die Besetzung seiner 17 Ausschüsse abgestimmt. Vier Stunden! Früher war das in vier Minuten erledigt; da hatten die regierenden Fraktionen ihre vorbereiteten Namenslisten in einem Gang abgenickt.

Jetzt aber winkte der Verwaltungsdezernent für Rechtsangelegenheiten, Jürgen Wohlfarth , mit einem Urteil von 2009: So geht es nicht weiter, Minderheiten schützen, geheim abstimmen! Es wurde gegrummelt, aber keiner hatte den Schneid, diesem "Demokratie-Wahnsinn" (nicht zuzuordnender Kommentar aus einer der drei Kabinen) zu trotzen, zumal die AfD ein vereinfachtes Abstimmen explizit ablehnte und sogar die SPD anfangs auf neuer Korrektheit bestand.

Als die Genossen "intellektuell in der Lage waren" (Vorsitzender Peter Bauer) zu merken, dass sie ihre Stadtratsmehrheit in keinem Ausschuss erreichten, dass sie also der Verlierer des Systems sein würden, war es zu spät. Während eines Matches ändert man die Regeln nicht mehr, und so konnten AfD, FDP und Freie Wähler - mutmaßlich durch gegenseitige Unterstützung - in die Gremien schlüpfen, die ihnen früher verschlossen waren.

Mit auffallender Gelassenheit vollzogen und ertrugen die Kommunalpolitiker die "Wahl-Akte". Täter und Opfer zugleich, schienen sie phasenweise in Trance zu schweben und wie auf einer selbst angerührten Wahl-Suppe zu surfen. Es war wie ein kleiner Rausch, ein gruppendynamisches Gemeinschafserlebnis, eine Demokratie-Sekte im Stadium höchster Schaffenskraft. Gelegentliche Schwächeanfälle, Unterzuckerungen und Dehydrierungen (die Klimaanlage!) wurden mit Gummibären, Sandwiches und Cola bekämpft. Dem Saarbrücker Bürger darf versichert werden: Dieser Stadtrat hat Sitzfleisch und Durchhaltevermögen ohne Ende. Da kommt noch mehr.

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