Das Ziel der schwarzen Null wackelt

Saarbrücken · Die zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge belasten die öffentlichen Haushalte im Saarland. Die Einhaltung der Schuldenbremse wird schwieriger. Die Linke fordert bereits einen Nachtragshaushalt für 2015.

Kürzlich wurde Innenminister Klaus Bouillon gefragt, von welchem Geld er die 23 neuen Mitarbeiter bezahlen will, die er zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms in der Landesaufnahmestelle in Lebach einstellt. Schließlich wird überall Personal abgebaut, weil das Geld fehlt. Der CDU-Politiker antwortete: "Geld spielt in dieser Ausnahmesituation keine Rolle." Jeden Tag fallen beim Land und den Kommunen Ausgaben an, die niemand vorsehen konnte, als die Haushalte aufgestellt wurden - für Dolmetscher, Unterkünfte, Medikamente, Sozialleistungen. Beamte der Landesregierung haben ausgerechnet, dass jeder Flüchtling im Monat rund 750 Euro kostet.

Immer deutlicher wird, dass der strikte Sparkurs vor diesem Hintergrund an seine Grenzen stößt. Und immer drängender stellt sich die Frage, was die zusätzlichen Ausgaben für das Ziel bedeuten, die Neuverschuldung des Landes bis 2020 und die der Kommunen bis 2024 auf null zu senken. Bremens Regierung fürchtet bereits Schlimmes. "Wenn nicht schnell etwas passiert, werden wir die Schuldenbremse wegen dieser neuen Herausforderungen nicht sicher einhalten können", sagte Bürgermeister Carsten Sieling (SPD ) dem "Handelsblatt".

Vor ähnlichen Tönen schreckt die saarländische Landesregierung (noch) zurück. Allerdings haben auch Mitglieder des Saar-Kabinetts intern bereits erörtert, ob die Schuldenbremse angesichts der zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge noch einzuhalten ist. Offiziell heißt es lediglich, die zusätzlichen Ausgaben stellten "eine Herausforderung auf dem Weg zur Einhaltung der Schuldenbremse " dar.

Der Zuzug von Flüchtlingen bringt eine zentrale Rechtfertigung für den Sparkurs ins Wanken. Denn der Abbau von 2400 Stellen bei der Landesverwaltung wurde stets auch mit dem starken Bevölkerungsrückgang begründet. Was aber, wenn die Bevölkerung gar nicht mehr so stark zurückgeht? Was ist etwa mit dem Abbau von 588 Lehrerstellen, wenn wegen der Flüchtlingskinder zusätzliche Klassen gebildet werden müssen?

Auch die Finanzpläne für die nächsten Jahre müssen überarbeitet werden. Das Finanzministerium spricht zunächst vorsichtig von einer "Überprüfung der bisher vorgesehenen Ansätze für 2016 und 2017". Der Linken-Finanzexperte Heinz Bierbaum erwartet jedoch bereits für 2015 einen Nachtragshaushalt. "Nur umschichten reicht jetzt nicht mehr", sagte er der SZ. Aus Bierbaums Sicht wäre der Flüchtlingsstrom der richtige Anlass, über die Schuldenbremse als solche neu nachzudenken. "Wenn sie nicht aufgehoben wird, muss sie zumindest gelockert werden." Das Finanzministerium hält einen Nachtragshaushalt "aus heutiger Sicht" nicht für nötig. Da die Kosten teilweise mit Zeitverzug auf den Landeshaushalt durchschlagen, sei eine belastbare Angabe über die zusätzlichen Ausgaben aber noch nicht möglich.

Das Grundgesetz erlaubt den Ländern Ausnahmen vom Neuverschuldungsverbot der Schuldenbremse - und zwar auch bei "außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen". Nimmt ein Land in dieser Situation neue Schulden auf, muss es einen Tilgungsplan vorlegen. Aber ist die Massen-Aufnahme von Flüchtlingen eine solche außergewöhnliche Notsituation? "Ich würde sagen: ja", meint der Experte für Länderfinanzen, Professor Wolfgang Renzsch. Innenminister Bouillon dürfte das ähnlich sehen, sein "übergesetzlicher Notstand" ist schon begrifflich recht nah an der "außergewöhnlichen Notsituation". Rechtlich geklärt ist dies aber nicht - die Frage hat sich bislang einfach nicht gestellt.

Auch die Kommunen wird die jüngste Entwicklung finanziell hart treffen. Sie sind für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig, sobald diese die Landesaufnahmestelle verlassen haben. Ist die kommunale Schuldenbremse - also die schwarze Null bis 2024 - mit den zusätzlichen Belastungen überhaupt noch machbar? Innenminister Bouillon hat bereits Abstriche gemacht. Er hat den Bürgermeistern zugestanden, dass sie für die Betreuung der Flüchtlinge Personal einstellen können - und diese Ausgaben nicht auf die Sparvorgaben angerechnet werden.

Meinung:

Bund darf sich nicht drücken

Von SZ-RedakteurDaniel Kirch

Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass wegen der Flüchtlingskosten nun Investitionen in die heimische Infrastruktur oder andere wichtige öffentliche Ausgaben zusammengestrichen werden. Das wäre Gift für das gesellschaftliche Klima im Land. So hoch sollte der Preis für die Einhaltung der Schuldenbremse nicht sein. Der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt beim Bund, dessen Steuereinnahmen in diesem Jahr sieben Prozent über dem Niveau des Vorjahres liegen. Der Bund schwimmt im Geld . Er muss jetzt dafür sorgen, dass Land und Kommunen nicht absaufen. Der für Ende September geplante Flüchtlingsgipfel hätte deshalb schon längst stattfinden müssen.

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