„Das Saarland wird mediterraner“

Saarbrücken · Mehr Stechmücken, Eidechsen und Heuschrecken: Der Klimawandel ändert die Tier- und Pflanzenwelt im Saarland. Das berichteten Biogeographen bei der Mitgliederversammlung des BUND.

Mehr fischfressende Kormorane in eisfreien Gewässern, sommerliche Invasionen von Stechmücken und Scharen von Mauereidechsen und Heuschrecken: Der Klimawandel mit mehr als eineinhalb Grad Erderwärmung hat längst auch das Saarland erreicht und verändert spürbar die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Darüber referierten die beiden Saarbrücker Biogeographen Steffen Potel und Martin Lillig am Samstag auf der Landesmitgliederversammlung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Saar. Nach ihren Untersuchungen sorgen die Klimaveränderungen nicht nur für Verlierer in Flora und Fauna, sondern auch für Gewinner, sodass sich für die beiden Experten die Frage stellt: Sieht die Natur den Klimawandel auch als eine solche Katastrophe an wie wir? "Winterroggen, Apfel und Kirsche sind mit der Vegetation inzwischen etwa zehn Tage früher dran als noch in den 1960er Jahren", sagt Potel. Eine Folge davon: Der als kleine grüne Raupe bekannte Frostspanner zerfrisst früher als sonst Blüten. "Nur die Meisen interessiert es nicht, ob der Baum zu dieser Zeit schon grün ist oder nicht, denn sie richten sich nach einer inneren Uhr mit festen Zeiten." Dann aber sind die Raupen oft schon verpuppt und scheiden als Vogelnahrung aus. Im Bliesgau, an der Nied und entlang der Prims breiteten sich immer mehr der als "Gottesanbeterinnen" bekannten Fangheuschrecken sowie blaue Holzbienen aus. Die noch auf der Liste bedrohter Tierarten stehenden Mauereidechsen bevölkern gleichfalls immer mehr Ortschaften, verdrängen aber umgekehrt die Waldeidechsen. Auf ehemaligen Kohleabraumhalden im Saarland zirpen blauflügelige Ödland-Heuschrecken und im Bliesgau breitet sich seit den 1990er Jahren eine als Weinhähnchen bekannte Grille aus. Dazu haben Saharastaub-Stürme, die Autofahrer an ihren verschmutzten Scheiben erkennen, die italienische Florfliege ins Saarland gebracht und über Wohnwagen werden ungewollt Ameisen und andere Insekten transportiert. Daneben erwarten die BUND-Experten, dass die Winterniederschläge im Saarland künftig um 30 bis 70 Prozent zunehmen, während es im Sommer bis zu zehn Prozent weniger regnen wird. Fazit: "Es wird im Saarland mediterraner werden." Der BUND Saar zählt nach eigenen Angaben rund 4500 Mitglieder, bei weiter leicht steigender Tendenz. Auf seiner Landesmitgliederversammlung forderte die seit mehr als einem Jahrzehnt vom Geographen Christoph Hassel geführte Umwelt- und Naturschutzvereinigung einen weiteren verträglichen Ausbau der Wind- und Sonnenenergie im Saarland, wobei auch landwirtschaftliche Flächen für moderne hochstehende Sonnenkollektoren zu Mischnutzung dienen könnten. Hassel kann sich vorstellen, dass sich die Zahl der Windräder im Land bis zum Jahr 2020 noch um ein Drittel erhöht.