Das Land der (zu) kurzen Wege

Saarbrücken · „Die Nähe zwischen Regierenden und Regierten führt zur Unregierbarkeit“ – das glaubt der oberste Landesplaner der Saar-Regierung. Auch um diese These ging es bei einer Diskussion über die Kommunalfinanzen.

 Im Saarland ist das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik (im Bild Ex-Ministerpräsident Peter Müller) enger als vielerorts. Das hat Vorteile, kann aber auch Probleme mit sich bringen.Foto: Iris Maurer

Im Saarland ist das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik (im Bild Ex-Ministerpräsident Peter Müller) enger als vielerorts. Das hat Vorteile, kann aber auch Probleme mit sich bringen.Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Wie kommen die saarländischen Kommunen aus der Schuldenfalle ? Um diese Frage drehte sich alles bei einer Diskussionsrunde, zu der am Donnerstag die Zukunftsinitiative Saar (ZIS) geladen hatte. Aus Sicht der ZIS ist die desolate Lage der Saar-Kommunen auch einer "zu laschen" Kommunalaufsicht geschuldet. Wie es besser gehen könnte, sollte deshalb Benedikt Emschermann von der Kommunalaufsicht Nordrhein-Westfalen darlegen. Auch die Kommunen in NRW sind hochverschuldet. 2011 habe die Landesregierung "den Schalter umgelegt", sagte Emschermann. Knapp sechs Milliarden Euro will das Land bis 2020 aufbringen, um notleidenden Städten und Gemeinden bei der Haushaltssanierung zu helfen, gleichzeitig wurde die Kommunalaufsicht deutlich gestärkt. Sie sei nicht länger ein "Papiertiger", sagte Emschermann: Halte eine verschuldete Kommune den vereinbarten Sparkurs nicht ein, werde der Rat entmachtet und ein Beauftragter, ein sogenannter "Sparkommissar", eingesetzt.

Ein striktes Vorgehen, das auch im Saarland möglich wäre? Die saarländischen Diskussionsteilnehmer blieben skeptisch. Das Saarland ist klein, jeder kennt jeden. "Die Nähe zwischen Regierenden und Regierten führt zur Unregierbarkeit", formulierte es Gerd-Rainer Damm, im Innenministerium zuständig für die Landesplanung. Soll heißen: Viele Politiker tun sich schwer damit, harte Einschnitte durchzusetzen, weil sie der Unmut der Bürger hier viel unmittelbarer trifft. Auch in anderer Hinsicht sei die Kleinheit des Landes ein Problem, erklärte Fritz Decker (SPD ), Alt-OB von Neunkirchen: So werde im Saarland einiges auf dem "kleinen Dienstweg" geklärt. Verdonnert die Kommunalaufsicht eine Kommune zu unpopulären Sparmaßnahmen , könne es durchaus sein, dass sich der Bürgermeister an den zuständigen Minister wende, um das doch noch zu verhindern. Jürgen Fried (SPD ), Deckers Nachfolger als OB und Präsident des Städte- und Gemeindetags, hält die Kommunalaufsicht zwar keineswegs für einen "Papiertiger", ist aber aus einem anderen Grund skeptisch, ob sich das NRW-Modell übertragen lässt: "Das Land Nordrhein-Westfalen hat Milliarden investiert, um den Kommunen zu helfen." Im Saarland hätten sich die Kommunen hingegen seit 2005 mit 500 Millionen Euro an der Sanierung des Landeshaushalts beteiligen müssen.

Dass das Kirchturmdenken der Kommunen enden und Infrastruktur im Land wegen des Bevölkerungsrückgangs abgebaut werden muss, darüber waren sich alle einig. "Wir haben im Saarland von allem zu viel", ist Damm überzeugt. Er plädierte dafür, Fördergelder nur noch an die Zentren des Landes zu vergeben. Auch eine Gebietsreform dürfe kein Tabu sein, so Damm: "Drei statt sechs Landkreise reichen völlig aus." Das sah der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU ), Chef des Landkreistages, erwartungsgemäß anders: "Wer Landkreise zusammenlegt, löst keine finanziellen Probleme." So seien etwa in der Jugendhilfe (die von den Landkreisen finanziert wird) nicht weniger Mitarbeiter notwendig, nur weil eine Verwaltungsebene wegfiele.

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