Bundesgesetz behindert Busbegleiter

Saarbrücken. Fatale Verkettung: Wenn heute eine ältere Dame mit mehreren Einkaufstüten in einem Saarbrücker Bus oder in der Saarbahn stolpert und sich ein paar schmerzhafte blaue Flecke oder Schlimmeres einhandelt, dann könnten daran die Europäische Union (EU) und der Deutsche Bundestag schuld sein

Saarbrücken. Fatale Verkettung: Wenn heute eine ältere Dame mit mehreren Einkaufstüten in einem Saarbrücker Bus oder in der Saarbahn stolpert und sich ein paar schmerzhafte blaue Flecke oder Schlimmeres einhandelt, dann könnten daran die Europäische Union (EU) und der Deutsche Bundestag schuld sein.Denn so überraschend wie der Arm eines hinterhältigen Kraken aus seinem Versteck schnellt, so greifen derzeit politische Entscheidungen von EU und Bundestag in den Saarbrücker Bus- und Bahnverkehr ein. Sie haben dazu geführt, dass die Busbegleiter von der Neuen Arbeit Saar (NAS), die seit rund fünf Jahren in Saarbrücker Bussen und Bahnen helfen, wo Not am Mann oder an der Frau ist, derzeit nicht mehr mitfahren dürfen.

Nach SZ-Recherchen kam das folgendermaßen: Die Busbegleiter sind Langzeitarbeitslose im Alter zwischen 57 und 65 Jahren. Bis zum November 2011 arbeiteten sie als Ein-Euro-Jobber (die SZ berichtete). Dann genehmigte das Bundesverwaltungsamt, dass die NAS für den Öffentlichen Personennahverkehr in Saarbrücken insgesamt 102 Busbegleiter mit Bürgerarbeitsverträgen ausstatten durfte. 79 solcher Verträge hat die NAS bereits geschlossen. Danach müssen die Bürgerarbeiter monatlich 30 Stunden Einsatz bringen und verdienen dabei 900 Euro, während 180 Euro an ihre Sozialversicherung fließen. Das Geld für ihre Bürgerarbeiter bekommt die NAS vom Jobcenter - der ehemaligen Arbeitsgemeinschaft (Arge) von Regionalverband und Arbeitsagentur, dem ehemaligen Arbeitsamt - denn die Bürgerarbeiter sind ja Langzeitarbeitslose, die kaum Chancen haben, je wieder einen normalen Job zu bekommen.

Etwa zur selben Zeit musste die Bundesrepublik ihr Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) gemäß einer EU-Richtlinie aktualisieren - was dieses Gesetz ab dem 1. Dezember erheblich verschärfte. Und weil die EU-Richtlinie in Sachen Leiharbeit keine Ausnahmen zulässt, sind auch im neuen deutschen Gesetz keine Ausnahmen vorgesehen. Folge: In der gesamten Republik herrscht nun Rechtsunsicherheit für Projekte wie die Bürgerarbeit der Busbegleiter.

Und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) Saar warnte seine Mitglieder - darunter auch die Saarbahn GmbH - bereits im November. Tenor: Die Arbeitgeber sollten darauf achten, dass alle Arbeitsverhältnisse, die ihre Firmen tangieren, juristisch einwandfrei definiert sind. Sonst könnten womöglich Leiharbeiter vor Gericht erzwingen, dass die Kommunalen Firmen sie anstellen oder sie zumindest nach dem Tarif für den Öffentlichen Dienst bezahlen müssen.

Und weil aus Sicht der Saarbahn GmbH auch die Arbeitsverhältnisse der Busbegleiter juristisch nicht völlig zweifelsfrei definiert waren, konnte das Unternehmen die Begleiter seit Jahresbeginn nicht mehr mitfahren lassen. Sonst hätte sie - neben den Arbeitsgerichtsprozessen - auch noch ein Bußgeld von bis zu 25 000 Euro riskiert.

Heinz Michael Schmitt vom KAV erklärte der SZ, eine schriftliche Bestätigung der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesanstalt für Arbeit reiche aus, um juristisch eindeutig zu belegen, dass die Busbegleiter nicht unter das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz fallen - also keine Leiharbeiter sind.

NAS-Geschäftsführer Roland Müller versicherte am Freitag, die NAS habe eine solche Bestätigung bereits beim Jobcenter Saarbrücken beantragt - und sie sei ihm für heute Montag, 30. Januar, angekündigt. Schließlich bekommen die Busbegleiter sowohl ihre Einsatzpläne als auch alle übrigen Anweisungen von der NAS. Womit die Sache eindeutig sei. Und Saarbahn-Geschäftsführer Norbert Reuter versprach: "Wenn der KAV uns grünes Licht gibt, lassen wir die Busbegleiter sofort wieder mitfahren."

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