Böse Folgen der Antibiotika-Schwemme

Saarbrücken · Immer mehr Menschen infizieren sich mit antibiotika-resistenten Krankheitserregern. Ärzte- und Tierärztekammern im Saarland haben am Wochenende über eine möglicherweise drohende Superseuche informiert.

Jahrzehntelang haben Ärzte ihren Patienten zu viel Antibiotika verordnet und Bauern ihrem Vieh zu viel Antibiotika verabreicht. Jetzt schlagen die antibiotika-resistent gewordenen Keime zurück. Laut Expertenschätzungen infizieren sich jährlich 700 000 Deutsche mit einem multiresistenten Krankheitserreger und bis zu 30 000 sterben daran. Grund genug für Ärzte- und Tierärztekammer im Saarland, erstmals in einer gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung das Problem Antibiotika-Resistenz als mögliche Superseuche der Zukunft offensiv anzugehen. "Wir können das Problem der Humanmedizin nicht in der Tierhaltung lösen", sagte Professor Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung. Beide Seiten müssten gemeinsam an einer Lösung arbeiten, wobei das Saarland beispielgebend vorangehe.

Mit einer Arzt-Patienten-Karikatur leitete Hensel seinen Vortrag ein: "Ich werde Ihnen jetzt Antibiotika verordnen - nehmen Sie morgens, mittags und abends ein Hähnchen ein". Zugleich betonte er: "Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Ausbreitung von Resistenzen und Ihr esst jeden Tag resistente Bakterien". In der Landwirtschaft würden am meisten Hähnchen , Mastkälber und Puten mit Antibiotika behandelt, am wenigsten Milchkühe und Legehennen. Erfreulich sei, dass sich die Zahl der Salmonelleninfektionen seit Beginn des Jahrtausends von rund 75 000 auf 15 000 im Jahr drastisch vermindert habe. Oftmals fehle es aber gerade in Privathaushalten an Küchenhygiene, wenn rohe Hähnchen und andere Lebensmittel auf dem gleichen Brettchen geschnitten oder auf den gleichen Grill gelegt würden, steige die Keimgefahr.

Ärztekammer-Präsident Dr. Josef Mischo appellierte an seine Arztkollegen, bei der Verschreibung von Antibiotika noch kritischer und strenger als bisher zu sein. Oftmals seien es aber die Patienten, die geradezu darauf drängten, Antibiotika zu erhalten. So würden in der Humanmedizin 85 Prozent aller Antibiotika im ambulanten Bereich verschrieben und bis zum Jahr 2008 sei das Saarland Spitzenreiter bei der Antibiotika-Verordnung in Deutschland gewesen. Seither hätten sich die Verordnungen aber deutlich verringert, so dass das Land hier nunmehr im Mittelfeld liege.

Der Präsident der Tierärztekammer Saar, Dr. Arnold Ludes, sagte, in der Landwirtschaft sei die Antibiotika-Situation "viel, viel besser geworden". Als Masthilfsmittel seien Antibiotika verboten und nur als vorbeugende Maßnahme gegen Krankheiten zugelassen. Im Saarland gebe es allerdings auch keine großen Viehbestände, so dass sich das Problem hier reduziere. "Aber 50 Prozent unserer Lebensmittel stammen aus anderen Ländern - das Problem Antibiotika-Resistenzen ist also nicht allein bei uns zu lösen", betonte Experte Hensel.

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