Bizarre Welt am Boden

Regionalverband · Pilze sammeln? Lieber nicht, wenn man sich nicht auskennt. Wer Pilzgerichte auf den Teller bringen will, muss genau unterscheiden können zwischen bekömmlichen und tödlich giftigen Gewächsen. Aber auch für Nicht-Sammler ist ein Blick auf die vielgestaltige Welt der Pilze reizvoll. Schnell raus und gucken: In diesem Jahr sprießen viele Pilze noch.

 Tintenfischpilze stammen aus Australien, sie wurden vor knapp 100 Jahren nach Europa eingeschleppt. Das hübsche Ding hat leider einen Schönheitsfehler: Es stinkt nach Aas. Foto: Döpke

Tintenfischpilze stammen aus Australien, sie wurden vor knapp 100 Jahren nach Europa eingeschleppt. Das hübsche Ding hat leider einen Schönheitsfehler: Es stinkt nach Aas. Foto: Döpke

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 Hexeneier des Tintenfischpilzes – die roten Tentakel werden später die weiße Kugel-Haut durchbrechen. Foto: Döpke

Hexeneier des Tintenfischpilzes – die roten Tentakel werden später die weiße Kugel-Haut durchbrechen. Foto: Döpke

Foto: Döpke
 Eine ganze Kolonie kleiner Pilzchen – aber Bilder wie dieses reichen nicht aus, um sie genau zu bestimmen. Foto: Döpke

Eine ganze Kolonie kleiner Pilzchen – aber Bilder wie dieses reichen nicht aus, um sie genau zu bestimmen. Foto: Döpke

Foto: Döpke
 Einer Koralle ähnlich: Pilz unter einer Fichte. Er könnte zur Gattung Ramaria gehören, meint Experte Roland Summkeller. Foto: Döpke

Einer Koralle ähnlich: Pilz unter einer Fichte. Er könnte zur Gattung Ramaria gehören, meint Experte Roland Summkeller. Foto: Döpke

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Der kleine Tiger, einer der Helden aus Janoschs zauberhaftem Kinderbuch "O wie schön ist Panama", kann Spezielles. Nämlich Pilze finden. Das kann ich derzeit auch. Und muss dafür nicht mal in den Wald gehen, ein paar Schritte durch den Garten genügen: Ganze Pilzkolonien schießen da über Nacht aus dem Boden.

Ist denn 2014 ein besonders gutes Pilzjahr? Nein, ganz und gar nicht, sagt Tobias Thiel, Pilz-Sachverständiger aus dem Köllertal. Nach einem ersten - vorzeitigen - Pilz-Schub im August habe es zur Hauptsaison im September/Oktober recht wenige Pilze gegeben, es habe sich auch nur die Hälfte der sonst üblichen Arten gezeigt. Im November sei eine verspätete zweite Welle erschienen. Das liege am Witterungsverlauf, sagt Thiel. Mangel an Regen und austrocknende Ostwinde hätten das Myzel - das Geflecht, mit dem Pilze den Boden durchziehen - so ausgedörrt, dass es zur normalen Zeit keine Fruchtkörper bilden konnte. Neuerlicher Regen und für die Jahreszeit milde Temperaturen hätten doch noch für einen späten Schub gesorgt. Wer davon noch etwas sehen wolle, möge sich sputen, rät Thiel: "Bei Temperaturen unter sieben Grad fruchten Pilze nicht mehr." Roland Summkeller, Pilzexperte aus dem Warndt, ist optimistischer: Angesichts der Wettervorhersage, meint er, könne die Spätsaison noch ein, zwei Wochen dauern. Ungewohnt. Nach Thiels Beobachtung auch ungewöhnlich: Pilz-Üppigkeit gebe es derzeit eher in Parks und Gärten als im Wald, "man sieht selten so viele Pilze rund ums Haus", sagt er.

Da ist was dran. Nie zuvor habe ich die knallroten Dinger gesehen, die am Beetrand, im Rindenmulch, Tentakel in die Luft recken und sich nach ein paar Stunden ausbreiten wie Seesterne: Tintenfischpilze, vor knapp einem Jahrhundert aus Australien nach Europa verschleppt, heute in Südwestdeutschland keine Seltenheit mehr. Hübsch anzusehen. Leider gar nicht hübsch für die Nase, denn sie stinken nach Aas - die Hexeneier, aus denen weitere Tentakel wachsen werden, grabe ich vorsichtshalber aus und überantworte sie der Mülltonne. Ebenso die Stinkmorcheln, die unter einer Fichte ans Licht gekommen sind: Ihr penetrantes Odeur muss im Garten nicht sein.

Auch Hallimasch, ein tückischer Baumzerstörer, wäre mir höchst unwillkommen. Sprießt auch der? Nein, danach sehe es nicht aus, sagt Roland Summkeller nach einem Blick auf meine Fotos. Eher nach Pilzen, die friedlich mit Pflanzen zusammenleben, zum beiderseitigen Nutzen: Mit ihrem Myzel umspinnen sie die Wurzeln, die dadurch besser Wasser und Nährstoffe aufnehmen können. Von den Pflanzen bekommen sie dafür Zucker und andere Photosynthese-Produkte, die sie selber, mangels Chlorophyll, nicht erzeugen können. Spezielle Pilze tun sich dabei mit speziellen Bäumen zusammen zu idealen "Mykorrhiza"-Paaren. Unsere Garten-Birke zum Beispiel hat Partner, die ihr Wohlergehen fördern: Birkenröhrling und Rotkappe kann Summkeller sicher identifizieren.

Woanders muss der Fachmann freilich passen: Zur Pilzbestimmung sind feinste Details nötig, die auf den Fotos fehlen. Macht nichts - ungefähr reicht ja, so lange ein Pilz nicht in den Kochtopf soll.

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