Bittere Pillen für saarländische Senioren

Saarbrücken · Senioren bekommen im Saarland überdurchschnittlich oft Medikamente verschrieben, zu denen es eine besser verträgliche Arznei gäbe. Das geht aus dem Arzneimittelreport der Techniker Krankenkasse hervor.

 Nehmen Senioren viele verschiedene Medikamente ein, sollten sie sich über eventuelle Wechselwirkungen informieren. Zum Beispiel bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Foto:fotolia

Nehmen Senioren viele verschiedene Medikamente ein, sollten sie sich über eventuelle Wechselwirkungen informieren. Zum Beispiel bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Foto:fotolia

Schwindel, Verwirrtheit oder Müdigkeit - diese Symptome können auf eine beginnende Demenz hindeuten. Doch sie können auch die Nebenwirkungen bestimmter Präparate gegen Blasenschwäche sein, berichtet die Deutsche Seniorenliga. Auch wenn diese Nebenwirkungen eher selten auftreten, sollten betroffene Senioren mit ihrem Arzt genau besprechen, welches Medikament sie einnehmen. Denn einige Arzneien gelangen ins Gehirn - etwa Präparate der Gruppe der so genannten Anticholinergika. Sie helfen, die Blasenmuskulatur zu entspannen, die Blase kann wieder mehr Urin speichern. Doch es gibt Alternativen, deren Wirkstoffe nicht die Blut-Hirn-Schranke passieren. Therapiealternativen haben Wissenschaftler in der Priscus-Liste zusammengefasst, die seit 2010 existiert. Diese listet Arzneistoffe auf, die bei Älteren über 65 Jahren starke Nebenwirkungen oder in Kombination mit anderen Medikamenten Unverträglichkeiten auslösen könnten.

Wie die Techniker Krankenkasse (TK) mitteilt, hat jeder fünfte TK-Versicherte über 65 Jahren im Jahr 2013 Medikamente bekommen, die einen Wirkstoff aus der Priscus-Liste enthielten. "Damit ist der Anteil dieser Verordnungen im Saarland am höchsten. In Thüringen bekam nur jeder siebte über 65 ein solches Medikament", so die Kasse. Die TK hat nun ihren Arzneimittelreport (AMR) für niedergelassene Ärzte um Informationen zur Priscus-Liste erweitert. "Der AMR enthält eine Übersicht, die dem Arzt zeigt, um welche Medikamente er den TK-Versicherten im zurückliegenden Quartal verordnet hat. Wenn der Arzt einem Patienten über 65 Jahre ein Priscus-Medikament verschrieben hat, bekommt er künftig einen entsprechenden Hinweis angezeigt", erklärt der Leiter der TK-Landesvertretung Saarland , Jörn Simon.

"Wir können nur spekulieren, warum die Zahl bei uns so hoch ist", sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland (KVS). Dr. Gunter Hauptmann. Ihm lägen keine Zahlen über die Verordnungen vor. "Die Tatsache, dass Medikamente verschrieben werden, die auf der Priscus-Liste stehen, heißt nicht, dass der Patient schlecht behandelt worden ist", betont Hauptmann. Oft gebe es keine Alternativen oder der Patient brauche genau dieses Präparat. "Wir weisen immer wieder auf diese Liste hin, die niedergelassenen Ärzte sind sensibilisiert. Das ist bei uns ein Thema." Er rät Menschen, die Medikamente nehmen, eine Liste mit allen ihnen verordneten Arzneien bei sich zu führen. Der Arzt wisse dann, welche Medikamente von Kollegen verschrieben wurden und könne so Neben- und Wechselwirkungen ausschließen. "Die eine oder andere böse Überraschung bliebe so erspart", sagt der KV-Vorsitzende.

"Leber und Nieren arbeiten im Alter nicht mehr so gut, ältere Menschen reagieren daher empfindlicher auf Nebenwirkungen ", sagt Dr. Andrea Gholami von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland in Saarbrücken (UPD). Bei ihr rufen immer wieder Patienten an, die Fragen zu der Wirkung von Arzneien haben. "Patienten wissen oft nicht von der Priscus-Liste", so ihre Erfahrung. Sie empfiehlt Patienten, die sehr viele verschiedene Medikamente einnehmen und wissen wollen, ob Neben- oder Wechselwirkungen bestehen, sich an die Arzneiberatung der UPD in Dresden zu wenden.

Die aktuelle Priscus-Liste ist im Internet abrufbar: www.priscus.net . Tipps über Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten gibt es unter medikamente-im-alter.de oder auch bei der Arzneimittelberatung der UPD unter Tel. (08 00) 01 17 725

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort