Biomasse bleibt künftig im Lande

Saarbrücken · Bis heute wird ein Großteil wertvoller saarländischer Biomasse außer Landes verbracht. Das soll sich ändern: Der EVS sucht ab sofort ein Grundstück, auf dem das erste Biomassezentrum entstehen soll.

 Seit 2006 versorgt das Bio-Heizkraftwerk am Karlsruher Flughafen 12 000 Haushalte mit Wärme und Strom aus 75 000 Tonnen Biomasse jährlich. Im Saarland plant der EVS Ähnliches. Foto: Uli Deck/dpa

Seit 2006 versorgt das Bio-Heizkraftwerk am Karlsruher Flughafen 12 000 Haushalte mit Wärme und Strom aus 75 000 Tonnen Biomasse jährlich. Im Saarland plant der EVS Ähnliches. Foto: Uli Deck/dpa

Foto: Uli Deck/dpa

. Der Entsorgungsverband Saarland (EVS) ist auf Grundstückssuche. Wie die beiden EVS-Geschäftsführer Georg Jungmann (CDU ) und Karl Heinz Ecker (SPD ) jetzt vor Journalisten in Saarbrücken sagten, benötige der EVS eine Fläche von fünf Hektar, also etwa sieben Fußballfelder . "Am besten in einem Industriegebiet mit Anschluss an die Autobahn", sagte Jungmann. Das Grundstück müsse zudem zwingend einen Abstand von mindestens 500 Metern zur nächsten Wohnbebauung haben. Der Grund dafür sei, dass der EVS auf dem Grundstück das erste Biomassezentrum im Saarland errichten will. Ob dies den künftigen Nachbarn stinken könnte? "Nein, wir wollen eine geschlossene Anlage errichten. Und werden die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände zu Wohnbebauung sogar übertreffen", betonte Jungmann. Demnach ist für geschlossene Anlagen, in denen Bio- und Grüngut zu Kompost aufbereitet und zu Gasen vergärt wird, ein Mindestabstand von 300 Metern vorgesehen.

"Wir wollen in der neuen Anlage 100 000 Tonnen Bioabfall und Grüngut jährlich verarbeiten", erklärte Ecker. Grund der EVS-Pläne sei das Gesetz, das der Saar-Landtag im vergangenen Sommer verabschiedet hatte. Demnach ist der EVS künftig nicht nur für die Entsorgung von jährlich 55 000 Tonnen Bioabfällen, die in Biotonnen gesammelt werden, zuständig. Hinzu kommt neuerdings auch der Transport und die Verwertung von Grüngut der Kommunen, etwa 70 000 Tonnen im Jahr. "Bisher werden etwa 12 000 Tonnen jährlich von unserem Vertragspartner Sydeme in Lothringen in der Anlage in Morsbach vergärt", sagte EVS-Abfallwirtschafts-Chef Jürgen Philippi. Der größte Teil des Bioabfalls, der nach Morsbach gehe, stamme wegen der kurzen Anfahrtswege aus Völklingen und Saarbrücken . Der andere Bioabfall-Anteil von etwa 43 000 Tonnen jährlich werde mit Lkw nach Baden-Württemberg oder die östlichen Bundesländer transportiert, wo er kompostiert und für Renaturierungen etwa von Ex-Braunkohletagebauten verwendet werde. "Das kostet uns etwa drei Millionen Euro im Jahr und die Kohlendioxid-Bilanz ist durch den Lkw-Verkehr nicht gut", sagte Jungmann.

Das Grüngut, also Sträucher, Unkraut und Rasenschnitt aus Privathaushalten, wird bisher von den Saar-Kommunen selbst kompostiert, vergärt oder vermarktet. "Grüngut von kommunalen Parkanlagen oder von Straßenrändern, die der Landesbetrieb für Straßenbau betreut, fallen nicht unter das EVS-Gesetz", sagte Ecker.

Doch das von Privaten in den Kommunen abgegebene Grünzeug muss künftig von den Kommunen auf nach dem Bundes-Immissions-Schutzgesetz zertifizierten Sammelplätzen von den Kommunen bereitgestellt werden. Dort wird es dann im EVS-Auftrag abgeholt und zu dem geplanten Biomassezentrum gebracht. "Das werden mindestens 52 Sammelplätze sein", meinte Philippi. Ecker rechnet mit jährlich 8000 Lkw-Fuhren zu dem Biomassezentrum. "Da werden wir genau beachten, dass an dem Zulieferweg keine Probleme mit Anwohnern oder Schulen vorliegen. Das schließt sich aus", betonte Jungmann.

Aus dem Gemisch von 100 000 Tonnen Bioabfall und Grüngut sollen in dem neuen Biomassezentrum Saar jährlich 30 000 Tonnen sortenreiner Kompost - frei von Plastikanteilen - erzeugt werden. Zudem soll die Vergärung Fäulnisgase produzieren, die in einem Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme für 5000 Haushalte umgewandelt werden. Aus dem Holzanteil des Grünguts sollen zudem 10 000 Tonnen Brennstoff entspringen.

"Wir wollen die Anlage 2020 in Betrieb nehmen", sagte Jungmann. Kostenpunkt: 20 Millionen Euro , plus fünf Millionen Euro für die Logistik. Jungmann und Ecker rechnen damit, dass nach der heutigen Veröffentlichung der Suchanzeige in der SZ bereits Ende Mai ein Bauplatz gefunden ist. Wie teuer das neue Biomassezentrum den Gebührenzahler zu stehen kommen wird, ist noch nicht exakt berechnet.

Meinung:

Es grünt beim EVS

Von SZ-Redakteur Dietmar Klostermann

Es hat lange gedauert, bis die CDU /SPD-Landesregierung den Wert der landeseigenen Biomasse zu schätzen lernte. Denn es ist ein Wahnsinn, dass zig tausende Lkw-Ladungen mit Saar-Biogut über hunderte Kilometer in die neuen Bundesländer gekarrt werden, nur um dort kompostiert zu werden. Für zehntausende Tonnen Bioabfall und Grüngut gibt es im Saarland schlicht keine Verarbeitungsanlagen. Deshalb ist es ein Fortschritt, dass der EVS beauftragt worden ist, selbst Energie und Humus aus der heimischen Biomasse zu saugen. Wenn das Biomassezentrum professionell gebaut und gemanagt wird, ist das ein Gewinn für Mensch und Umwelt. Dies den Bürgern zu vermitteln, die Gebührenerhöhungen wittern, ist die eigentliche Herkulesaufgabe.

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