„Bildung ist gut gegen Krieg“

Saarbrücken · Zeitzeugen müsse man fragen, so lange man sie noch habe, betont Pfarrer Herwig Hoffmann. Also öffnete er die evangelische Johanneskirche, und vier Männer durften anrührend schildern, was der Zweite Weltkrieg aus ihnen machte: Ernst Becker, Heinrich Kalbfuß, Fred Oberhauser und Roland Stigulinszky.

 Die Zeitzeugen (v.l.) Ernst Becker, Roland Stigulinszky, Heinrich Kalbfuß und Fred Oberhauser im Gespräch mit Jonathan Janoschka und Nicole Pusch. Foto: Andrew Wakeford

Die Zeitzeugen (v.l.) Ernst Becker, Roland Stigulinszky, Heinrich Kalbfuß und Fred Oberhauser im Gespräch mit Jonathan Janoschka und Nicole Pusch. Foto: Andrew Wakeford

Foto: Andrew Wakeford

Als der heranwachsende Heinrich Kalbfuß im Zweiten Weltkrieg etwas Russisch gelernt hatte und sich mit Kriegsgefangenen unterhalten konnte, wurde ihm sofort klar, dass er es mit freundlichen, gebildeten Leuten zu tun hatte - und nicht mit "Untermenschen" der Nazi-Ideologie. Auch die russischen Schriftsteller mit ihrer Sprachgewalt und die Komponisten mit ihren beeindruckenden Klangwelten passten so gar nicht in das Hass-Szenario, das vom Hitler-Regime verkündet wurde. Kalbfuß wurde immer mehr darin bestärkt, dass dem Unrechtssystem nicht zu trauen sei. Dass so viele junge Deutsche den Ideologen auf den Leim gingen, hat nach Überzeugung des späteren Journalisten Heinrich Kalbfuß nicht nur mit der Faszination für Uniformen und dem wohligen Aufgehobensein in der Hitlerjugend zu tun, sondern auch mit Unwissen. Im Umkehrschluss darf behauptet werden: "Bildung schützt ein wenig vor Krieg." So jedenfalls das Fazit des angehenden Journalisten Jonathan Janoschka. Zusammen mit der jungen Kollegin Nicole Pusch, beide Volontäre des Saarländischen Rundfunks, moderierte er am Mittwochabend in der evangelischen Johanneskirche ein Zeitzeugen-Gespräch mit vier Männern um die 90 oder gar darüber hinaus. Alle waren als junge Leute in den Krieg verstrickt, kamen anders heraus als sie hineingeraten waren und verbrachten ihr Berufsleben maßgeblich beim Saarländischen Rundfunk. Von den Saarländern werden sie als Autoritäten in ihren Fächern geschätzt, auch wegen ihres würdevollen Auftretens. Die anderthalb Stunden reichten erwartungsgemäß nicht aus, um die vier außergewöhnlichen Biografien angemessen zu würdigen. Dennoch ging wohl jeder der 50 Zuhörer mit einem Satz oder einer Schilderung im Ohr hinaus, die ihn berührt haben dürfte. "Was haben unsere Soldaten im Ausland verloren?", klagte der ehemalige Toningenieur Ernst Becker, der nach wenigen Kriegstagen einen Kameraden verloren hatte. Der Journalist und Publizist Fred Oberhauser, der den Bruder verlor und beinahe selbst in Gefangenschaft gestorben wäre, plädierte "gegen jeden Krieg um jeden Preis", und Karikaturist Roland Stigulinszky wünschte sich, wie Kalbfuß, "mehr Wissen", vor allem um die politischen Zusammenhänge. Dann wäre es für Großmächte vielleicht auch nicht mehr so leicht, sich in andere Länder einzumischen. Das Zeitzeugen-Gespräch soll demnächst auf "Antenne Saar" zu hören sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort