Biete Hilfe am Computer, suche Babysitter

Saarbrücken · Knapp 90 Nutzer bieten im Tauschring Saar Dienstleistungen und Waren an oder suchen danach. Der Handel funktioniert vollkommen ohne Geld. Die Organisatoren hoffen darauf, dass weitere Tauschpartner zu ihnen stoßen.

 Hilmar Brück arbeitet bei der Bundesnetzagentur in Saarbrücken als IT-Techniker an einem alten PC. Diese Fähigkeit bietet er auch im Tauschring Saar an. Foto: Becker & Bredel

Hilmar Brück arbeitet bei der Bundesnetzagentur in Saarbrücken als IT-Techniker an einem alten PC. Diese Fähigkeit bietet er auch im Tauschring Saar an. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

"Gehe oder fahre für sie einkaufen", schreibt ein Mitglied des Tauschrings Saar auf der Internetseite. Andere bieten oder suchen Hilfe bei Computerproblemen, ein Saarbrücker tauscht Romane. "Es geht um Kooperation statt Konkurrenz, wir wollen dem Wirtschaftssystem eine Alternative entgegensetzen", sagt David Hupperich aus Differten. Er betreut das Internetportal - und tauscht selbst: "Kürzlich habe ich Hundefutter getauscht, weil mein Hund es nicht vertragen hat."

Das System ist denkbar einfach: Wer als Mitglied registriert ist, kann Angebote oder Gesuche einsetzen. Die Mitglieder nehmen dann untereinander Kontakt auf. Für eine erbrachte Leistung oder eine übergebene Ware gibt es zwar kein Geld, aber eine Gutschrift in Form von "Talenten". "Talent ist das, was die Mitglieder eines Tauschringes einsetzen, nämlich ihre Fähigkeiten und Begabungen", heißt es auf der Internetseite des Tauschrings Saar. Gleichzeitig handelt es sich um eine "Zeitwährung": 20 Talente entsprechen etwa einer Stunde geleisteter Arbeit. Wie viel die jeweilige Tätigkeit oder Ware wert ist, verhandeln die Tauschpartner untereinander. Die ausgehandelten Tauschpunkte schlagen sich dann auf dem "Talente-Konto" nieder - als Plus für den Geber und Minus für den Nehmer.

Gegenseitiges Vertrauen ist dabei unverzichtbar, denn die "Talente" sind eine moralische Verpflichtung, kein "echtes" Geld. "Ich führe Gespräche mit Leuten, die bei den "Talenten" tief im Minus waren. Dann finden wir heraus, ob sie nicht doch etwas anbieten können", sagt Hupperich, der sich auch in der "Occupy-Bewegung" engagiert.

Der Vorgänger des Tauschrings Saar, der Talente-Tauschring Saarbrücken, war ein Verein. Stattdessen ist der Tauschring Saar, der sich an Interessierte aus dem ganzen Saarland richtet, eine Bürgerinitiative. Die Hierarchien sind flach.

Hilmar Brück war Vorsitzender des Talente-Tauschrings. Der IT-Techniker bietet im Tauschring unter anderem Hilfe bei Computerproblemen an und schätzt "die Möglichkeit, Dinge zu bekommen, die ich mir sonst nicht leisten würde" - etwa einen Schaukelstuhl, den er dort erworben hat.

Binnen eines Jahres ist die Zahl der Aktiven im Tauschring Saar nach eigenen Angaben von 33 auf 88 gestiegen, Brück sieht auch zukünftig "viel Potenzial". Und Mitstreiter Hupperich hat reichlich Ideen: Gerne würde er die Angebote und Gesuche in gedruckter Form veröffentlichen oder in Nachbarschaften gezielt für den Tauschring werben. Doch es mangelt an Zeit und Geld. Trotzdem ist er optimistisch, dass das Tauschfieber noch mehr Saarländer infiziert.

tauschring-saar.de

Herr Kuphal, über Tauschringe werden Waren und Dienstleistungen gehandelt, ohne dass dabei Geld fließt. Was macht aus Ihrer Sicht dieses Modell attraktiv?

Kuphal: Es ist ja nicht so furchtbar attraktiv, es handelt sich um ein Randphänomen. Dagegen steht das Riesensystem des öffentlichen Geldes. Es war einmal vor der Erfindung des Geldes so, dass Naturalien gegen Naturalien getauscht wurden, aber das ist schon lange her.

Hinter solchen Tauschbörsen steckt eine kleine Sehnsucht der Unmittelbarkeit, des direkten Austauschs, bei dem man mit Menschen zu tun hat und nicht mit dem schnöden Mammon, dem Geld. Das ist auch ein gutes Stück Kulturkritik des Unzufriedenseins mit dem großen System des unpersönlichen Geldes.

Welche Rolle spielt dabei Vertrauen?

Kuphal: Geld ist ein Vertrauenstatbestand, und wenn wir in das Geld kein Vertrauen haben, dann ist es nur Papier. Hintendran steht der Staat als Garant und reagiert scharf, wenn jemand versucht, dieses Vertrauen kaputtzumachen. Wer Geld nachmacht, bekommt mit die höchsten Strafen. Bei dem "kleinen Geld" von Tauschbörsen ist man natürlich stärker auf Vertrauen angewiesen, das man in den anderen und in dieses kleine System hat. Dahinter steckt ja immer ein Garant, der sagt: Ich investiere die Zeit, ich notiere deine Leistung, du hast diesen Anspruch.

Was sind die Stärken von Tausch währungen gegenüber dem "großen Geld"?

Kuphal: Tauschbörsen mit Regionalwährungen haben Charme, weil Menschen mit tuender Hand einander finden. Die Stärken von Menschen kommen hier zur Sicht. Das ist sehr positiv, weil der direkte Austausch und die direkte Begegnung wieder ins Spiel kommen. Ich wünsche jeder regionalen Währung gutes Gelingen, das hat großen Charme und ist eine soziale Veranstaltung. Aber strukturell stößt man damit immer wieder an Grenzen.

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