„Bessere Chancen mit deutscher Ausbildung“

Saarbrücken · Viel Berufspraxis, Arbeit mit erfahrenen Kollegen und wenig Theorie – für deutsche Azubis ist das ganz normal. In Frankreich dagegen ist die Berufsausbildung verschulter. Doch nur wenige Franzosen entscheiden sich für die renommierte Lehre in Deutschland. Elodie Neumann ist eine von ihnen.

 Karl-Heinz Jochum, Geschäftsführer der Spedition Pfeiffer, und die Auszubildende Elodie Neumann. Foto: Elsa Middeke

Karl-Heinz Jochum, Geschäftsführer der Spedition Pfeiffer, und die Auszubildende Elodie Neumann. Foto: Elsa Middeke

Foto: Elsa Middeke

"Ich hätte nie gedacht, dass ich mal eine deutsche Ausbildung mache", sagt Elodie Neumann und lacht. Die 25-jährige Französin hat am 1. August bei der Spedition Pfeiffer in Saarbrücken eine Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistik begonnen - und ist damit nach Angabe der saarländischen Industrie- und Handelskammer eine von derzeit zehn französischen Azubis in der Landeshauptstadt.

Gemessen an der Zahl von 5000 Auszubildenden im vergangenen Jahr sind das 0,2 Prozent. Wieso wird der kurze Weg nach Deutschland nicht öfter genutzt? "Franzosen scheuen sich oft vor der deutschen Sprache und der fremden dualen Ausbildung mit hohem Praxisanteil. In Frankreich wird nämlich sehr verschult ausgebildet", meint Karl-Heinz Jochum, einer der beiden Geschäftsführer der Spedition Pfeiffer.

Elodie Neumann kam mit 19 Jahren nach Deutschland und kassierte auf ihre Bewerbungen zunächst nur Absagen. "Deutsche Firmen erkennen das französische Abitur nicht immer an. Außerdem konnte ich damals noch nicht so gut Deutsch. Ich bin hier vielen Vorurteilen begegnet", berichtet Elodie. Jochum ergänzt, dass viele Firmen im Saarland immer noch nicht mit französischen Bewerbern umgehen könnten. "Dabei können wir von grenzüberschreitenden Ausbildungen doch nur profitieren." Die Spedition Pfeiffer hat mit Aline Peifer bereits eine Französin ausgebildet. Von ihr hat Elodie den Tipp bekommen, sich dort zu bewerben. "Aline und ich haben in Frankreich zusammen Abitur gemacht. Sie hat mich über Facebook kontaktiert und mir von ihrer Ausbildung vorgeschwärmt", erzählt Elodie. Jochum berichtet: "Integration ist für uns sehr wichtig. Deshalb haben wir dafür gekämpft, dass auch Elodie bei uns anfangen konnte." So setzte er bei der Agentur für Arbeit durch, dass Elodie besonders gefördert wird: Weil sie schon fünf Jahre in Deutschland gearbeitet hat, laufe die Ausbildung über eine Umschulungsmaßnahme, erklärt der Geschäftsführer. Die Vergütung werde aufgestockt, sodass Elodie ihre eigene Wohnung weiter finanzieren kann. Außerdem bekomme sie Fahrgeld, damit sie aus ihrem Wohnort Neunkirchen zu den Standorten Freisen und Saarbrücken und zur Berufsschule pendeln kann. Bis jetzt hat Elodie die Buchhaltung, die Abrechnung, die EDV und die nationale Disposition kennengelernt. "Disposition macht mir am meisten Spaß. Ich habe Verantwortung, mir wird viel zugetraut, und ich lerne jeden Tag etwas dazu", erzählt Elodie. Auch die Sprache ist nun kein Problem mehr: "Wir haben viele französische Kunden, die sind froh, wenn sie eine Muttersprachlerin am Telefon haben." Jochum sieht Elodies Herkunft als Gewinn: "Die französischen Geschäftspartner reden einfach offener mit jemandem, der ihre Sprache spricht und ihre Region gut kennt." Jochum glaubt, dass mehr dafür getan werden muss, um Ausbildungswege zwischen Deutschland und Frankreich zu fördern. "In den Grenzgebieten sollten Kinder viel früher und intensiver die Sprache des Nachbarlandes lernen. Auf beiden Seiten der Grenze muss es mehr Integration geben, nicht nur beruflich." Das findet auch Elodie: "Viele Franzosen können sich eine deutsche Ausbildung gar nicht vorstellen und trauen sich das nicht zu. Dabei habe ich mit dieser Ausbildung viel bessere Chancen als mit der französischen Alternative."

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