Beliebtes Kino ruft um Hilfe

Saarbrücken · Die Jüdischen Filmtage im Kino Achteinhalb zeigen die aktuelle Entwicklung des israelischen Films. Die Reihe ist beim Publikum sehr beliebt. Diesmal sind zwei Dokumentar- und drei Spielfilme zu sehen.

 Szene aus dem Film „Footprints in Jerusalem”. Foto: MK2 Paris

Szene aus dem Film „Footprints in Jerusalem”. Foto: MK2 Paris

Foto: MK2 Paris

"Wir überschreiten gerade die Schmerzgrenze!" Beim Auftakt der sechsten Jüdischen Filmtage in Kooperation mit der Synagogengemeinde Saar wies Waldemar Spallek vom Kino Achteinhalb auf die klamme Finanzsituation des kleinen Lichtspielhauses hin. Wegen der Sparzwänge der Stadt arbeite das Kino "personell über dem Limit", sodass die Existenz des Kinos ernstlich gefährdet sei, sagte Spallek am Sonntag.

Sein Hilferuf blieb nicht ungehört: "Ich werde mich dafür einsetzen!", versprach Saarbrückens Umweltdezernent Thomas Brück vor dem Hintergrund, dass die Finanzierung der nichtkommerziellen Kinolandschaft stets "ein bewegendes Thema in der städtischen Kulturpolitik" sei. Beim Publikum jedenfalls ist das kommunale Kino im Herzen des Nauwieser Viertels sehr beliebt: Auch die Eröffnung der Jüdischen Filmtage war wieder mal heillos überrannt, sodass zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten. "Ein schöner Erfolg für ein Low Budget-Festival", fand Yoram Ehrlich von der Synagogengemeinde. Thomas Brück lobte das Kino mit seinen diversen Themenreihen als "Fenster zur Welt". In der Tat: Dadurch, dass die Jüdischen Filmtage zugleich die Entwicklung des aktuellen israelischen Films dokumentieren, spiegeln sie jüdische Alltagsrealität bar jeglicher Vorurteile und decken humorvoll auch Widersprüche auf. Gezeigt werden Beiträge, die noch nie in Deutschland zu sehen waren - in diesem Jahr laufen zwei Dokumentarstreifen und drei Spielfilme.

Den Auftakt machte die Komödie "Kidon", eine israelisch-französische Koproduktion aus diesem Jahr, die auf einer wahren Begebenheit beruht und hier in Französisch mit englischen Untertiteln zu sehen war. Nach dem komischen Roadmovie "Jerusalem Syndrome" (2008) ist es der zweite Spielfilm des Regisseurs Emmanuel Naccache: In Paris geboren und aufgewachsen, lebt Naccache seit 20 Jahren in Israel und erfüllte sich im Alter von 30 Jahren seinen Kindheitstraum, Filme zu drehen. In "Kidon" nimmt er mit Lust am Verulken von Klischees das Action- und Agentengenre auf die Schippe: Vier harmlose Bürger geben sich als Mossad-Mitglieder und Attentäter aus und versetzen dadurch nicht nur den israelischen Geheimdienst in Panik. Eine Mischung aus "Ocean's Eleven", "Pulp Fiction" und "Pink Panther" habe ihm bei diesem Verwirrspiel vorgeschwebt, erzählte der Regisseur im anschließenden Gespräch mit Spallek und Ehrlich. In Israel sei der Film von Publikum wie Kritik gut aufgenommen worden - wahrscheinlich, vermutet Naccache, weil das Thema ansonsten nur ernsthaft behandelt werde. Bis 30. Oktober veranstalten das Kino Achteinhalb und die Synagogengemeinde Saar zum sechsten Mal die Jüdischen Filmtage Saarbrücken . Neue Filme geben Einblicke in das jüdische Leben. Im Spielfilm "Get - ein Prozess der Viviane Amsalem" kämpft sie fünf Jahre um ihre Scheidung. In Israel ist das Familienrecht durch religiöses Recht geprägt. Um eine Ehe als geschieden zu erklären, verlangt das orthodoxe Rabbinatsgericht vom Ehemann einen Get, den Scheidungsbrief. Elisha, der Ehemann von Amsalem, verweigert den Get, obwohl das Paar seit Jahren getrennt lebt.

Die Dokumentarfilme der Jüdischen Filmtage reflektieren die Veränderungen des jüdischen Lebens und die Aufarbeitung der Geschichte anhand von zwei Städten: Jerusalem und Berlin. Alice Agneskirchner fragt in ihrem Dokumentarfilm "Ein Apartment in Berlin" drei junge Israelis, die in Berlin wohnen, warum sie dort leben möchten und was das Leben dort mit ihnen macht. Agneskirchner versucht, der deutsch-jüdischen Geschichte neu zu begegnen, in dem sie die Wohnung der jüdischen Familie Adler in Berlin während der Nazi-Zeit mit den drei jungen Israelis rekonstruiert und das Leben der Familie in dieser Zeit reflektiert. Agneskirchner stellt ihren Film in Saarbrücken am Mittwoch vor.

1963 drehte David Perlov seinen wegweisenden Dokumentarfilm "In Jerusalem ". Er zeigt ein poetisches Porträt der Stadt. Dreißig Jahre später drehte Dan Geva, ein Student von David Perlov, den experimentell anmutenden Dokumentarfilm "Urschalaym". Er folgt den Plätzen seines Meisters und zeigt die Veränderungen in der Stadt Jerusalem . Weitere 20 Jahre später drehten Studenten von Dan Geva acht kurze Dokumentarfilme , die an das Erbe des Films von David Perlov anknüpfen. Die acht persönlichen stilistisch unterschiedlichen Blicke in das Leben der Stadt Jerusalem bilden mit den Dokumentarfilmen von Perlov und Geva das Kompilationsprogramm "Footsteps to Jerusalem ". Der Film läuft heute im Kino Achteinhalb .

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