Behinderte sehen sich diskriminiert

Saarbrücken · Etwa 70 Menschen mit Behinderung, unterstützt von Verbänden und Vereinen, haben gestern bei der Premiere im Saarbrücker Kino Cinestar das Filmfestival Max Ophüls als diskrimierend kritisiert.

 Rund 70 Menschen mit Handicap aus dem ganzen Saarland haben gestern Abend in Saarbrücken demonstriert. Sie fordern ein barrierefreies Filmfestival Max Ophüls. Foto: Becker & Bredel

Rund 70 Menschen mit Handicap aus dem ganzen Saarland haben gestern Abend in Saarbrücken demonstriert. Sie fordern ein barrierefreies Filmfestival Max Ophüls. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

. "Auch beim 35. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken steht die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung auf dem Programm." So lautet der Vorwurf, den der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) den Verantwortlichen des Nachwuchs-Filmfestivals macht. Etwa 70 Behinderte aus dem ganzen Saarland, darunter Rollstuhlfahrer, Sehbehinderte und Gehörlose, protestierten am gestrigen Montagabend vor und - mit freundlicher Genehmigung des Kinobetreibers - auch im Saarbrücker Großkino Cinestar mit Plakaten, Spruchbändern und Handzetteln gegen die Vernachlässigung ihrer Rechte. So stünden in elf Festival-Kinosälen mit 2516 Plätzen nur zwölf Sitze für Rollstuhlfahrer zur Verfügung. Es werde nur ein einziger Film mit Audiodeskription für Blinde angeboten und es fehle an grundsätzlicher Untertitelung für Gehörlose. Nur zwei der vier Kinos seien überhaupt für Menschen mit Mobilitätseinschränkung zugänglich, hieß es. Dagegen seien 13 Prozent der Saarländer schwer behindert. Rein rechnerisch könnten aber nur 0,6 Prozent am Festival teilhaben.

Da das Festival mit über 400 000 Euro Steuergeld ausgestattet werde, müssten laut UN-Menschenrechtskonvention alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um Menschen mit Behinderungen eine uneingeschränkte Teilnahme zu ermöglichen, so BSK-Sprecher Peter Reichert. Dass bundesweit Kinos nicht barrierefrei seien, sei schon ärgerlich. In Saarbrücken komme hinzu, dass Steuern in das Programm flössen, und nicht in die Beseitigung von Diskriminierung. "In Saarbrücken werden die Ansprüche und Rechte betroffener Menschen ignoriert", kritisierte die BSK-Vizevorsitzende Anita Reichert das Festhalten an Kinos ohne Rampen, Aufzügen und Stellplätze für Rollstühle. Wenn die Kinos nicht barrierefrei herzurichten seien, dann müssten andere Spielorte wie die Congresshalle gesucht werden, verlangten die Betroffenen.

Die Demonstranten, die in den beiden Vorjahren nur in kleiner Zahl ihre Anliegen vorgetragen hatten, wurden gestern von einer breiten Bewegung getragen. So gehören dem neu gegründeten "Aktionsbündnis barrierefreies Filmfestival Max Ophüls Preis" als Unterstützer unter anderem auch die Landesvereinigung Selbsthilfe, die Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft und die bundesweit bekannte "Aktion Mensch" (früher "Aktion Sorgenkind") an.

Kurios: Ein Kamerateam dokumentierte den Protest und wird wohl einen eigenen Nachwuchsfilm über das Nachwuchsfestival machen - aus Sicht der Behinderten.

Die Demonstration wurde von der Saarbrücker Gesamtbehindertenbeauftragten Dunja Fuhrmann angeführt, die auch auf die Bühne des Saals 11 kam. "Es ist unser Recht, wie jeder von Ihnen auch, an so einem Kulturereignis teilhaben zu können", wandte sie sich an das Publikum. Auf Handzetteln baten die Demonstranten um Unterstützung. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass Barrierefreiheit nicht nur Behinderten, sondern jedermann nutze; sie sei "Komfort für alle und kein Luxus", hieß es auf einem Plakat. > Siehe auch

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