Begleiter fürs Theater oder Kino gesucht

Saarbrücken · Seit vier Jahren gibt es den „Hamburger Kulturschlüssel“, an dem sich der neue „Kulturschlüssel Saar“ eng orientiert. Träger in Hamburg ist der Verein Leben mit Behinderung. SZ-Mitarbeiterin Silvia Buss sprach mit dem Projektleiter Frank Nestler aus Hamburg darüber, wie das Angebot in der Hansestadt ankommt.

Ob Kino, Theater, Konzerte oder Museen - das Saarland hat ein reichhaltiges Angebot an Kultur. Nicht alle Menschen aber können es nutzen. "Manche Leute trauen sich abends nicht allein, mit dem Bus zu fahren, manche trauen sich nicht allein mit dem Rollator auf die Straße", erklärt Susanne Burger vom Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen im Saarland (VKM). Und manchen fehle es schlicht am nötigen Geld für die Eintrittskarten. Um allen Menschen den Zugang zur Kultur zu ermöglichen, hat der VKM jetzt mit finanzieller Förderung der Aktion Mensch das Projekt "Kulturschlüssel Saar" ins Leben gerufen. Es vermittelt denjenigen, die nicht eigenständig in eine Ausstellung, zu einem Ballettabend oder auch zu einem Fußballspiel gehen können, einen ehrenamtlichen "Kulturbegleiter" und bei Bedarf auch eine Freikarte.

Das Angebot richte sich an alle - nicht nur Menschen mit Behinderungen -, auch Senioren, Migranten und Menschen, die arm sind, erläutert Marie-Therese Strauß, Geschäftsführerin des in Saarbrücken ansässigen VKM. Interessenten können sich telefonisch beim "Kulturschlüssel Saar" anmelden. Als so genannte "Kulturgenießer" können sie sich dann aus einem monatlich verschickten Veranstaltungskalender, der auch online auf der Homepage des "Kulturschlüssels Saar" zugänglich ist, ein passendes Kulturangebot auswählen. Daneben sucht Projektleiterin Susanne Burger Freiwillige, die Lust haben, die "Kulturgenießer" zu begleiten. Im Gegenzug erhalten sie für die Veranstaltung eine Freikarte. "Damit die Kulturbegleiter wissen, was auf sie zukommt, veranstalten wir vorher einen Info-Abend, wo wir zum Beispiel zeigen, wie man einen Rollstuhl schiebt", sagt Burger. Die Begleiter sollten bereit sein, den Betreffenden gegebenenfalls zu Hause abzuholen, sich um die Beförderung in Bus, Bahn oder Taxi zu kümmern und ihn auch wieder nach Hause zu bringen. Die Fahrtkosten übernimmt der "Kulturschlüssel Saar" ebenso wie die Beschaffung der Freikarten. Deshalb ist Burger zurzeit auch viel unterwegs: Im ganzen Saarland wirbt sie um Veranstalter, die als "Kulturspender" Karten für das Projekt zur Verfügung stellen sollen. Vorbild für das Projekt ist der "Hamburger Kulturschlüssel", der laut Burger schon seit vier Jahren erfolgreich funktioniert. "Da konnten wir uns viel abgucken", sagt sie und ist zuversichtlich, dass das Projekt auch im Land der kurzen Wege viele Kulturtüren öffnen wird.

Kontakt: Tel. (06 81) 93 62 11 88

kulturschluessel-saar.de

Wer sind Ihre Hauptnutzer?

Nestler: Wir sind zwar einer der größten Träger der Behindertenhilfe in Hamburg, sind aber mit dem Ziel gestartet, im Sinne der Inklusion nicht nur Menschen mit Behinderung anzusprechen, sondern alle, denen der Zugang zu Kultur durch irgendein Handicap verwehrt ist. Also auch Senioren, die von Grundsicherung leben, und Menschen mit Migrationshintergrund. Senioren und Menschen mit Behinderung sind heute unsere größten Nutzergruppen, Migranten noch nicht so sehr. Es kommen auch viele Menschen mit finanzieller Bedürftigkeit.

Kommen letztere nicht vielleicht in erster Linie wegen der Freikarten?

Nestler: Uns war von Anfang an wichtig, dass es nicht nur um Freikartenvermittlung geht, sondern darum, Brücken zu schlagen und Menschen zusammenzubringen, die Lust haben, gemeinsam Kultur zu genießen - Menschen, die sich sonst vielleicht nicht begegnen würden. Das sagen wir auch immer im Erstgespräch.

Und das klappt?

Nestler: Ja, viele finanziell Bedürftige kommen zuerst als Kulturgenießer und wechseln dann in die Rolle der Begleiter, weil sie etwas geben wollen. Bei uns gehen die Leute nicht nur zu zweit, sondern oft auch in Gruppen zu zehnt ins Theater. Da sind schon Freundschaften entstanden.

Ist es denn schwierig, Begleiter zu finden, auch solche, die nicht arm sind?

Nestler: Im Gegenteil, sobald eine kleine Anzeige in der Zeitung steht, rennen sie mir die Türen ein. Weil es viele Menschen, gerade mit Vollzeitbeschäftigung gibt, die so ihr Bedürfnis, etwas Gutes zu tun, mit ihrem kulturellen Interesse verknüpfen können. Sie sind sogar bereit, sich auf die Warteliste setzen zu lassen, weil sie das so spannend finden. Das habe ich noch bei keinem anderen Projekt, für das ich Freiwillige suchte, jemals erlebt.

Wie bereitwillig spenden Veranstalter in Hamburg denn Freikarten?

Nestler: Wir haben 60 Kooperationspartner, von den großen Häusern wie Thalia Theater und Staatsoper über Stadtteilkulturzentren, Subkultur-Kinos bis zu den Fußballvereinen, wobei sich St. Pauli noch etwas schwer tut. Wir treten bewusst nicht als Bittsteller auf, sondern appellieren an die Verantwortung, die jeder Kulturveranstalter hat, kulturelle Teilhabe möglich zu machen. Wir konnten im Vorjahr 2800 Freikarten umsetzen. Wobei, wir haben so einen großen Bedarf geweckt, dass wir nicht alle Wünsche erfüllen können.

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