Beerdigungen so teuer wie nie

Saarbrücken. Deckel drauf, ein kleines Gebet und fertig. Sehen so die Beerdigungen der Zukunft aus? Nein, das ist teilweise heute schon so. Die Bestattungskultur hat sich geändert

 So prächtige Gräber wie auf dem Friedhof in Ensheim könnten sich heute nur noch wenige Bürger leisten. Foto: Becker&Bredel

So prächtige Gräber wie auf dem Friedhof in Ensheim könnten sich heute nur noch wenige Bürger leisten. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Deckel drauf, ein kleines Gebet und fertig. Sehen so die Beerdigungen der Zukunft aus? Nein, das ist teilweise heute schon so. Die Bestattungskultur hat sich geändert. Während im Jahr 1980 im Saarland noch 96 Prozent der Toten kirchlich bestattet wurden, waren es im Jahr 2008 nur noch 88 Prozent, sagt Rainer Sörries, Professor für christliche Archäologie und Kunstgeschichte an der Universität Erlangen.Am Dienstag nahm Sörries in Saarbrücken an einer Podiumsdiskussion der Kirchenstiftung "Zukunft Evangelisch St. Johann" in der Johanneskirche teil. "In Halle werden heute noch zwölf Prozent kirchlich bestattet, bei 50 Prozent gibt es sogenannte freie Redner, und bei 38 Prozent passiert gar nichts, da bestattet das Ordnungsamt", sagt Sörries: "Wir haben das Friedhofs- und Bestattungswesen dem Markt ausgeliefert." 5000 Euro koste im Durchschnitt eine Beerdigung. Das belege die Statistik. Würden während der Beerdigung originelle Musik oder irgendwelche Extras gewünscht, seien die Angehörigen schnell noch mehr Geld los. Herrmann Weber, der Vorsitzende der Verbraucherinitiative Bestattungskultur des gemeinnützigen Vereins Aeternitas Königswinter: "Wir haben noch nie so viel Geld für Beerdigungen ausgeben müssen wie heute. Dabei stelle ich sehr oft fest, dass die Menschen das Gefühl haben, betrogen zu werden." Er nennt ein Beispiel. "Mit dem Bestatter wird am Telefon mündlich vereinbart, dass die Beerdigung 2400 Euro kosten soll, später steht auf der Rechnung ein Betrag von 4000 Euro. Das Angebot muss schriftlich erfolgen. Die Menschen sind meiner Meinung nach bereit, Geld für die Beerdigung auszugeben, aber sie wollen genau wissen, wie viel und wofür."

Die Billig-Beerdigungen seien auf dem Vormarsch. "Es gibt Menschen, die würden gerne so trauern, wie sie es für richtig halten. Aber es geht aus finanziellen Gründen einfach nicht. Da wird eine Bestattung zu Dumping-Preisen für 700 Euro einfach vorgezogen", sagt Sörries.

Uwe Kunzler, Leiter des Friedhofs- und Bestattungsbetriebes der Stadt Saarbrücken, versuchte, die teuren Bestattungen zu erklären. "Im Gegensatz zu Billig-Beerdigungen praktisch im Nirgendwo kümmern wir uns um unsere Friedhöfe. Es fallen hohe Energie- und Personalkosten an. Unsere Friedhöfe sind sauber und gepflegt. Und wenn man alle Gebühren auf 20 Jahre umlegt, bezahlt man gerade einmal 20 Euro im Monat", sagt Kunzler, der aber auch von dramatischen Einnahme-Einbrüchen berichtet. "In den vergangenen beiden Jahren hatten wir bei etwa gleicher Anzahl an Toten 400 Bestattungen weniger. Da fehlen schnell mal mehrere 100 000 Euro", sagt Kunzler.

Sörries machte folgenden Vorschlag: "Wir könnten eine gesetzliche Sterbeversicherung einführen, um die Hinterbliebenen bei den Beerdigungskosten finanziell zu unterstützen. Aber ich glaube, dass wir eher eine Lösung auf regionaler Ebene finden sollten." In Göttingen komme eine Tobias-Bruderschaft alle drei Monate zusammen, um Obdachlose zu beerdigen.

Die Bestattungskultur ist im Wandel, da waren sich alle einig. Die große Frage: Schafft die Kirche einen Gegentrend zu den Billig-Bestattungen? "Es müssen neue Ansätze her. Oft reagiert die Kirche nur auf bereits bestehende Ideen", sagt Rainer Knauf, Historiker aus Saarbrücken.

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