Baden am Strand von Bliesmengen-Bolchen

Saarbrücken · Jugendclub des Staatstheaters stellt im Luther-Jahr eigene Thesen auf und würzt den Auftritt mit viel Sarkasmus.

 Der Jugendclub des Staatstheaters. Foto: Staatstheater

Der Jugendclub des Staatstheaters. Foto: Staatstheater

Foto: Staatstheater

Ging es nicht auch Luther darum, die Welt zu retten, als er vor 500 Jahren seine 95 Thesen aufstellte und ans Kirchentor schlug? Der Jugendclub U 21 des Staatstheaters griff den Faden auf und entwickelte im Jubiläumsjahr der Reformation eigene Thesen. "Angewandte Zukunft der Menschheit" heißt ihr Theaterstück, das die 22 jungen Leute unter Leitung von Regisseur Jörg Wesemüller nur noch einmal, am 18. Mai, in der Alten Feuerwache aufführen. Die mitreißende, erfrischende Produktion sollten Theaterfreunde auf keinen Fall verpassen. Ein Kirchentor steht dabei nicht zur Debatte, auch keine Thesen, die auf die Veränderung des Glaubens und der Kirche zielen. An einem großen internationalen Konferenztisch (Bühne: Jasna Boniak) verhandelt die Jugend hier vielmehr die großen Probleme, die uns täglich aus den Nachrichten bedrängen: Welthunger, Entwicklungshilfe, Massentierhaltung, globalisierte Ausbeutung von Menschen und Ressourcen, Klimakatastrophe.

Kein Wunder, dass es die jungen, alle weiß, aber individuell gekleideten Berichterstatter (Kostüme: Julica Schwenkhagen) bei so viel alarmierenden Themen, die ihnen auf den Nägeln brennen, schon bald nicht mehr am Tisch hält. Die Darbietung mischt im fliegenden Wechsel alle möglichen Formen - von Vortrag, Debatten, Talkshows bis zum eskalierenden Fernseh-Wetterbericht. Statt auf Belehrung setzen die jungen Akteure auf Sarkasmus und Überspitzung. Da liegt das Saarland mit 42-Grad-Celsius-Dauertemperatur schon am Meer und muss bei optimalem Badewetter am Strand von Bliesmengen-Bolchen mit Verkehrsstaus durch die Klima-Flüchtlinge aus Frankreich rechnen.

Etwas später aber, bei 72 Grad, warnt die Wetterfee, man solle die Wassermarken sparsam einsetzen, mit Schutzanzug im Haus bleiben und die Erdoberfläche nicht betreten. Konsequent geht die Szene weiter mit Umsiedlungsversuchen bis auf den Mars. Weitere Höhepunkte sind die Skype-Schaltung zur Näherin in Bangladesch, die ihre Adresse ins T-Shirt nähte, eine Talkshow mit Tieren wie dem "Versuchskaninchen", der Legehenne und dem Wolf. Sehr originell ist auch die Umsetzung der Folgen der Digitalisierung: Alle Apps und Funktionen des Smartphones umtanzen und bedrängen hier die Nutzerin in personifizierter Form. Die Thesen, die Forderungen, die aus den jeweiligen Szenen abgeleitet und an die Wand auf ein Foto von schmelzenden Polkappen projiziert werden, gehen in diesem rasanten darstellerischen Feuerwerk fast unter. Macht aber nichts, denn die Botschaften kommen auch so an. Diese elfte, mit viel Publikumsapplaus bedachte Produktion der U 21-Truppe ist auch zugleich ihre letzte. Denn im Herbst, wenn mit Bodo Busse der neue Intendant antritt, wird auch die Jugendtheatergruppe neu aufgestellt. Applaus gebührt daher auch Regisseur und Leiter Jörg Wesemüller, der es immer verstand, die jungen Leute zu einer starken Truppe mit starken Stücken zu formen.

Seit der Spielzeit 2006/2007 bietet das Saarländische Staatstheater einen Jugendclub für Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren an. In regelmäßigen Workshops lernen die Jugendlichen unter professioneller Leitung die Grundlagen des Theaterspielens kennen.

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