Aus dem Kleinen entsteht Großes

Saarbrücken · Es gibt nur noch Restkarten für den Dark Circus der Compagnie Stereoptik. Das Stück ist einer der Renner beim Festival Perspectives. Wir haben einen der beiden Macher getroffen.

 Rechts und links der Leinwand sitzen die Künstler und erschaffen live einen ganzen Film. Foto: Jean-Marc Besenval

Rechts und links der Leinwand sitzen die Künstler und erschaffen live einen ganzen Film. Foto: Jean-Marc Besenval

Foto: Jean-Marc Besenval

Es hat immer etwas Magisches, einem Zeichner dabei zuzusehen, wie er auf einem weißen Blatt ein Porträt oder eine Landschaft erschafft. Bei der Gruppe Stereoptik ist dieser magische Effekt um etliches größer. Wenn Romain Bermond und Jean-Baptiste Maillet an zwei kleinen Tischen auf der Bühne hantierten, erleben die Zuschauer live das Entstehen eines Animationsfilms mit Musik und Geräuschen. Während Bermond an seinem Leuchttisch merkwürdige Kleckse aufs Blatt tupft, eine Handvoll Sand verstreut, Stöckchen oder Papierfiguren verschiebt, staunt man, wie das alles auf einer Leinwand zusammenwächst zu sorgsam komponierten, dynamischen Tableaus, die eine spannende Geschichte erzählen.

So leicht und spielerisch das für die Zuschauer auch wirkt, für die Macher steckt dahinter viel Arbeit, erfährt man im Gespräch mit Jean-Baptiste Maillet. Auf der Bühne ist er mehr für den musikalischen Part zuständig, bedient an seinem Pult einen Instrumentenpark, der für eine stattliche Combo ausreichte. Bei der Stückentwicklung aber gibt es diese Arbeitsteilung nicht. Beide sind bildende Künstler und Musiker und schlugen in einer Funk-Blaskapelle gemeinsam die große und kleine Trommel, bevor sie mit Stereoptik einen neuen Weg einschlugen. Die rhythmische Arbeit sei aber auch dafür das Fundament, sagt Maillet.

Zwei Jahre lang tüfteln sie an jedem neuen Stück, in einem nur 20 Quadratmeter kleinen Kellerstudio mit einer winzigen Leinwand bei Maillet daheim in Paris. "Der eine sagt, wir machen was in Rot, dann sagt der andere vielleicht, die Idee ist genial, aber wir machen es in Weiß", erzählt Maillet wie sie ihre Ideen gemeinsam entwickeln. Und weil sie immer viel mehr Ideen hätten, als in ein Stück passen, schmeißen sie sehr viele wieder weg.

Für ihre aktuelle Produktion Dark Circus, die sie als Deutschlandpremiere in Saarbrücken aufführen, haben Stereoptik erstmals einen Autor beauftragt, ihnen eine Geschichte zu schreiben. Die Story vom Zirkus, in dem reihenweise Artisten verunglücken sei aber nur eine Seite lang, betont Maillet: "Aus einem Satz wie - die Trapez-Artistin stürzt in den Tod - machen wir dann sieben Minuten." Auch technisch-handwerklich probierten sie immer wieder Neues aus. Damit eine Hand unter Wasser auf der Leinwand optimal Licht reflektiert, baten sie etwa einen Freund, sie aus Porzellan zu brennen. "Für eine Szene haben wir uns zwei Monate acht Stunden täglich in den Keller eingesperrt, bis sie saß." "Wir hatten uns schon ein bisschen mehr Dekoration erwartet", hörte man viele Besucher im neuen Perspectives-Festivalclub enttäuscht sagen. Mancher dachte wehmütig zurück an das verwinkelte Gelände am Römerkastell, die ehemalige Becolin-Fabrik, die die Acrobaten von "C'est dur la culture" für die Festivals der letzten Jahre so liebe- und fantasievoll ausgestattet hatten. Dagegen beschränke sich die Gestaltung des ehemaligen Großraum-Möbelladens gegenüber dem E-Werk auf den ersten Blick weitgehend auf das Zuhängen mit Tüchern, meinte mancher Gast. Doch wer genauer hinsah, merkte, dass es am zweiten Festivalabend schon mehr kleine Deko-Bauten gab als am ersten. Bis zum nächsten Clubabend am Wochenende, hört man, wollen die Acrobaten noch Überraschungen vorbereiten.

 Hunderte Fans feierten die Musik von Housse de Racket. Foto: Maurer

Hunderte Fans feierten die Musik von Housse de Racket. Foto: Maurer

Foto: Maurer

Der Stimmung bei den Konzerten am Freitag und Samstag tat die Deko-Debatte keinen Abbruch. Ein paar Hundert Besucher kamen da jeweils und forderten etliche Zugaben. Gold glitzernd von der Hose bis zum Lidschatten gab Simone Ringer mit "Minuit" einen stimmstarken Aufritt. Die Band der beiden Kinder von Les Rita Mitsouko liebt es melodiös-rockig, was ein wenig an die 1980er erinnert, dabei leider weniger exzentrisch als die Eltern. Auch Housse de Racket inspirieren sich in der Pop-Geschichte. Als Duo verblüfften sie am Samstag durch vollen Sound und Stilvielfalt von Britpop bis Elektro-Pop. Die beiden Sänger-Musiker wiederum schienen überrascht, dass bei ihrem ersten Deutschland-Auftritt das begeistert tanzende Publikum auch noch so gut Französisch verstand . . .

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