Auf zum Thalia Theater

100 Jahre ist es her, dass der Erste Weltkrieg als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts über Europa kam.

Und haben wir nicht alle in diesen Tagen schon mit flauem Gefühl im Magen Richtung Ukraine und Russland geschaut und uns gefragt, wohin dieser Konflikt uns womöglich noch alle führen wird? Längst überwunden geglaubte (Schützen-)Gräben tun sich da wieder auf. Und der erschreckende Rechtsruck bei den Europawahlen und die Triumphe der Europagegner legen einen Schatten über unser friedliches Zwischenhoch.

Umso wichtiger ist das Erinnern und Erkennen, das als einziges Mittel vor den immer gleichen Fehlern schützen kann. Und so empfehle ich Ihnen unbedingt, am Himmelfahrtstag zum Theaterfestival Perspectives ins Staatstheater zu gehen. Das Thalia Theater Hamburg gastiert hier mit der brandaktuellen Produktion "Front" des renommierten belgischen Regisseurs Luk Perceval. In dieser Collage aus Texten und Klängen dreht sich alles um den Ersten Weltkrieg, werden Passagen aus Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman "Im Westen nichts Neues" und dem Kriegstagebuch "Le Feu" des Belgiers Henri Barbusse zitiert, ebenso Zeitdokumente wie Briefe gefallener Soldaten.

Wenn man den Kritiken glauben mag, ist es sicher kein müheloser Theaterspaziergang. So schrieb etwa das Hamburger Abendblatt "Der Abend ist ein Erlebnis aus Stimmen und Klängen." Perceval zeige "den Menschen als ein von mechanischen Gewalten getriebenes Etwas." Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete "Front" als "eine nachtschwarze, lautstarke Totenmesse".

Dass "Front" überhaupt im "kleinen" Saarbrücken zu sehen ist, verdankt es dem großen Einsatz des Staatstheaters und des Festivalteams. Die Hamburger Produktion wird danach auf große Europatour gehen - in Edinburgh, Amsterdam, Brüssel oder auch Belgrad gastieren. Eigentlich kaum zu glauben, dass es fürs Saarbrücker Gastspiel tatsächlich noch Karten gibt (Tel. 06 81/30 92-486).

In der "Zeit" schrieb Theaterkritiker Peter Kümmel: "Immer wieder versuchen europäische Theatermacher, ein gültiges, optimistisches Stück über den Fortschritt der europäischen Vereinigung zu produzieren, ein Stück über europäisches Leben - und sie scheitern meistens. Aber Front, dieses Stück über den Ersten Weltkrieg, funktioniert offenbar - weil es den Krieg als gemeinsames, gewissermaßen ergebenes Sterben zeigt".

Hoffen wir, dass Europa diese Lehre begriffen hat . . .

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