Auf Spurensuche nach dem "Teufel in Menschengestalt"

Saarbrücken. Zu einem Vortrag über "die literarischen Vorlagen zu Jonathan Littells Roman ,Die Wohlgesinnten'" hatte die Literarische Gesellschaft Meridian am vergangenen Donnerstag den Saarbrücker Komparatisten Harald Bost eingeladen

Saarbrücken. Zu einem Vortrag über "die literarischen Vorlagen zu Jonathan Littells Roman ,Die Wohlgesinnten'" hatte die Literarische Gesellschaft Meridian am vergangenen Donnerstag den Saarbrücker Komparatisten Harald Bost eingeladen. Der 2008 erstmals auf Deutsch erschienene Roman "Die Wohlgesinnten" stieß bei Rezensenten auf teils heftige Kritik, weil er die Gräueltaten der Nationalsozialisten mit schonungsloser Brutalität und ohne moralische Wertung aus der Perspektive eines der Mörder schildert. Harald Bost, der im vergangenen Jahr über Kafka habilitierte, wurde auf wissenschaftlichen Kongressen auf Littell aufmerksam, bei denen sich, so Bost, "niemand einen Reim auf verschiedene Szenen des Romans machen konnte". Bost kam schließlich die Idee, "dass Dantes Inferno als Vorlage für die ,Poetisierung' des Grauens und der Hölle des Dritten Reiches gedient haben könnte". Er begab sich auf Spurensuche, verglich Aufbau, Figuren, Sprachbilder und einzelne Formulierungen und fand seine Vermutung bestätigt. Dass es von Anlehnungen an Dantes "Inferno" in Littells Skandalroman nur so wimmelt, belegte Harald Bost in seinem Vortrag anhand zahlreicher Zitate. Damit tritt er zugleich den Kritikern Littells entgegen. Ein Beispiel: Dass Romanfigur Maximilian Aue "mit den Opfern vor der Exekution zuweilen noch Altgriechisch zu parlieren pflegt", wie Literatur-Kritikerin Iris Radisch in der Zeitung "Die Zeit" spitz anmerkte, ist laut Harald Bost kein Zynismus des Autors. Vielmehr diene das Altgriechische an dieser Stelle als Verweis auf einen antiken Mythos. In der Diskussion mit Mitgliedern der Literarischen Gesellschaft Meridian vertrat Bost am Donnerstag die These, dass Aue bei Littell als Teufel in Menschengestalt dargestellt wird, wodurch er sich einer moralischen Beurteilung seines Handelns entziehe. rae

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