Auf der Wolke mit der Harfenistin

Saarbrücken · Gute Musikerinnen und Musiker brauchen Talent. Doch was wäre ihre Begabung ohne das richtige Instrument? In einer Serie fragen wir Künstlerinnen und Künstler nach ihrer Beziehung zu ihrem Arbeitsutensil. Heute: Barbara Gerdes, die Harfenistin der Folk-Gruppe An Erminig.

 Barbara Gerdes mit der Harfe, die ihr Ehemann Andreas Derow für sie gebaut hat – rechts im Bild ihre erste Harfe, die sie in der Bretagne gekauft hat.

Barbara Gerdes mit der Harfe, die ihr Ehemann Andreas Derow für sie gebaut hat – rechts im Bild ihre erste Harfe, die sie in der Bretagne gekauft hat.

Foto: Astrid Karger

Barbara Gerdes wirkt vornehm, bescheiden, und sie ist sehr schön. Freunde bretonischer Musik schätzen sie als Musikerin des "Familienunternehmens" An Erminig. Ihren Ehemann Andreas und dessen Bruder Hans Martin Derow kennt sie schon seit Bonner Schulzeiten.

Seit den 70er Jahren suchen und kultivieren sie gemeinsam keltische Klänge, die Tanzmusik der Bretagne. Nein, "uncool" sei das damals nicht gewesen, es war auch die Zeit der überall aufkommenden Folkfestivals, und jemand wie Alan Stivell hatte mit seinem Keltenrock große Popularität erlangt.

Als Barbara Gerdes nach dem Abitur jedoch sieben Wochen in einer Fliesenfabrik arbeitete, um sich für 3000 Mark eine Harfe zu kaufen, hielt sich das Verständnis der Gleichaltrigen, die auf ein Auto oder eine Weltreise sparten, in Grenzen: "Die hielten mich für verrückt."

Schon ihre ersten Forschungsreisen hatten An Erminig in der Bretagne gemacht, und in Brest bestellte die junge Frau schließlich auch ihre keltische Harfe.

Le Roux und Paris, Instrumentenbauer und Schreiner, entwarfen und bauten das urtümliche Instrument ohne Pedal. Eines Tages war die Harfe da und Barbara Gerdes, die bislang nur Gitarre gespielt hatte, versuchte, die wenigen Tipps zum Fingersatz, die ihr ein zwölfjähriges Mädchen in Brest noch gegeben hatte, umzusetzen. Sie wusste, "oben ist die Melodie, unten sind die Bässe, rot ist c, blau steht für f."

Ein Vorteil beim Selbststudium: Harfe klingt immer schön, ganz anders als die laute Bombarde mit ihrem Dudelsackton. Auch dieses Instrument übt große Faszination auf die Lehrerin und vierfache Mutter aus. Oft kam in den Workshops zur keltischen Musik der entscheidende Impuls von den Bombarde- und Dudelsackspielern, die Musik funktioniert ohne sie nicht.

Außerdem waren die witzig, und so galt damals - "lieber in der Hölle mit den lustigen Dudelsackspielern, als auf der Wolke mit den Harfenisten."

Gerdes will mit Flöte, Bombarde und Harfe Tanzmusik machen. Die "Soeurs Goadaec" brachten nur mit ihren Altfrauenstimmen ganze Säle zum Tanzen - diese uralten Rhythmen aufzuspüren, zu interpretieren und zu entwickeln haben sich An Erminig zur Lebensaufgabe gemacht.

Sie sei eine Forscherin sagt Gerdes, gehe Themen wissenschaftlich an, brauche einen "roten Faden." Je tiefer und länger An Erminig bei der bretonischen Schatzsuche gruben, desto mehr tat sich auf, und desto stimmiger wurde es. Den ‚Kessel Buntes' gab es überall, viele Musikgruppen nahmen auf Keltisches Bezug, An Erminig wollen genau wissen, was sie tun, und Barbara Gerdes kombiniert nie erlahmende Neugierde und Sammelleidenschaft mit der Akribie des Wissenschaftlers.

Die Harfe aus Brest barst eines Tages. Heute ist ihre Harfe eine Spezialanfertigung für sie, gebaut von Andreas Derow. Der Schreiner hat Jahrzehnte Erfahrung mit der bretonischen Musik, für die Decke, das Klangbrett verwendete er Rotzeder. Er weiß, wie wichtig seiner Frau besonders schön klingende Bässe sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort