Auf der Spur der Volkskrankheiten

Saarbrücken · Motorik, Lungenfunktion, Diabetes – 10 000 Saarländer werden in den kommenden Jahren intensiv untersucht – und zwar nicht nur wie im Sprichwort auf Herz und Nieren. Ihre Ergebnisse fließen in eine große Gesundheitsstudie ein. Einige Bürger haben schon mitgemacht.

 Nako-Mitarbeiterin Karin Röttgen-Wendeler überprüft die Zähne von Franz-Klaus Biehl. Foto: Iris Maurer

Nako-Mitarbeiterin Karin Röttgen-Wendeler überprüft die Zähne von Franz-Klaus Biehl. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Im Herbst lag das Schreiben im Briefkasten von Franz-Klaus Biehl in Heusweiler. Ob er an Deutschlands größter Gesundheitsstudie teilnehmen wolle, der "Nationalen Kohorte (Nako)", stand darin. Noch nie zuvor habe er von einer solchen Studie gehört, erinnert sich der 66-Jährige - und war entsprechend skeptisch. "Ich dachte, da will mir jemand etwas verkaufen, und habe den Brief zur Seite gelegt."

Verkaufen wollte ihm niemand etwas. Nako ist kein unseriöser Versandhandel, sondern ein gigantisches Forschungsprojekt, finanziert von Bund, Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft. Dessen Ziel ist es, noch unbekannte Risiken, Ursachen und Vorsorgemöglichkeiten für weit verbreitete Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden, Diabetes oder Demenz zu finden. Zu diesem Zweck wollen die Macher der Studie in den kommenden vier Jahren 200 000 Freiwillige im Alter zwischen 20 und 69 Jahren in Deutschland finden, die sich in einem ersten Schritt in einem von bundesweit 18 Studienzentren untersuchen lassen.

10 000 Teilnehmer sollen aus dem Saarland kommen, einer davon sollte Biehl sein, deshalb bekam er das Einladungsschreiben. "Nach etwa drei Wochen hat eine Frau angerufen", erzählt er. Die Anruferin, eine sogenannte "Kontakterin" aus dem Saarbrücker Nako-Studienzentrum, habe ihm erklärt, was es mit der Untersuchung auf sich habe, ihm den Schutz seiner Daten versichert - kurz, zur Teilnahme überredet.

Die Auswahl der potenziellen Probanden beschränkt sich im Saarland auf den Regionalverband und den Saarpfalz-Kreis, vor allem wegen des für sie kurzen Anfahrtsweges zum Studienzentrum in der Saarbrücker Viktoriastraße. Anhand der Einwohnermeldedaten - Anschrift, Alter, Geschlecht - wählen die Studienmacher Bürger aus und bitten sie um Teilnahme, wie die wissenschaftliche Leiterin, Christa Stegmaier, erklärt. Herauskommen soll ein verkleinertes Abbild der Saar-Bevölkerung.

Wer mitmacht, den erwarten drei bis fünf Stunden Rundum-Check, bestehend aus körperlichen Untersuchungen, Interviews und dem Ausfüllen von Fragebögen. Alles in allem würden "auf den unterschiedlichsten Feldern" Daten erhoben, erläutert der Leiter des Saarbrücker Studienzentrums, Thomas Edinger. Ziel sei es ja, zu Volkskrankheiten Ursachen und Zusammenhänge zu finden, "die bislang noch nicht bekannt sind". Entsprechend "breit gestreut" seien die erhobenen Daten.

Auch Biehl war mittlerweile bei der Untersuchung. Viereinhalb Stunden habe die Prozedur gedauert. Weh getan habe keiner der Tests, nur ein wenig anstrengend sei es gewesen, vor allem die Prüfungen zu Motorik und Konzentration. "Ich habe mich ja voll konzentriert, man will sich ja auch nicht blamieren", erklärt er.

Treten bei einer Untersuchung auffällige Werte zutage, wird dies dem Teilnehmer mitgeteilt, sagt Edinger. Mit dem eigenen Arzt könne man der Sache dann nachgehen.

Für die Studie werden sämtliche Daten anonymisiert und zentral abgespeichert. 2018 fängt die Auswertung an. Doch die Datenerhebung ist dann nicht zu Ende: Etwa zwei bis drei Jahre nach der Untersuchung folgt eine schriftliche Befragung der Probanden, nach fünf Jahren ein zweiter Gesundheitscheck. Angedacht ist eine Gesamtdauer der Nako-Studie bis ins Jahr 2042. "Am Ende wollen wir sehen, wie sich die Leute, die eine bestimmte Krankheit bekommen haben, von denen unterscheiden, die sie nicht bekommen haben", sagt Bernd Holliczek, der wie Stegmaier fürs Landesgesundheitsministerium mit der Studie betraut ist. Persönlich habe er "große Hoffnung", dass es dann Hinweise zu Risikofaktoren für Alzheimer oder Demenz geben werde, so Holliczek. Stegmaier sagt, für sie sei es spannend zu sehen, wie verbreitet einzelne Krankheiten im Saarland seien. Auf Antworten werden beide noch Jahre warten. Bis Ende 2014 will die Saarbrücker Nako-Mannschaft die ersten 500 aus 10 000 Teilnehmern geschafft haben.

Zum Thema:

Auf einen BlickDie Nako-Untersuchung umfasst Tests zu folgenden Themenkomplexen: Diabetes , Herz-Kreislauf-System, kognitive Fähigkeiten, Lungenfunktion, Muskel-Skelett-System, Mundgesundheit, Fitness, Sinnesorgane und Daten wie Gewicht und Körpergröße. Einige können noch eine MRT-Untersuchung durchführen lassen. Es werden außerdem Bioproben wie Blut oder Urin genommen. Jedem Teilnehmer ist es aber möglich, einzelne Teile wegzulassen. cau

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