Auf dem Gleis in Lebensgefahr

Saarbrücken · Fußgänger, die am Bahnhaltepunkt Saarbrücken-Burbach die Abkürzung über die Gleise nehmen, begeben sich dabei in Lebensgefahr. Denn einige Züge, die nicht in Burbach halten, nähern sich sehr leise – aber doch mit Tempo 120. Man hört sie nicht kommen. Und wenn sie plötzlich da sind, ist es zu spät.

 Gefahr im Verzug. Manche Züge fahren Tempo 120, wenn sie Burbach passieren. Wegen ihrer modernen, geräuscharmen Radreifen hört man sie fast nicht kommen. Foto: A. Manderscheid

Gefahr im Verzug. Manche Züge fahren Tempo 120, wenn sie Burbach passieren. Wegen ihrer modernen, geräuscharmen Radreifen hört man sie fast nicht kommen. Foto: A. Manderscheid

Foto: A. Manderscheid

Sie können noch so weit weg vom Bahnsteig sein - wir alle, die wir dort auf unsere Züge warten, sehen trotzdem, wie verliebt sie sind. Immer wieder stupsen sie sich, streichen sich durch die Haare und lachen. Fast traumwandlerisch scheinen sie - in mittlerweile rund 200 Metern Entfernung - mitten auf dem Bahndamm irgendwelchen Abenteuern in Burbachs Häuserschluchten entgegenzuschweben.

Die Abkürzung, die unsere beiden Verliebten gewählt haben, ist Gleis zwei - und darüber rauschen in der Regel Güterzüge und Regionalexpresse mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde. Unser Pärchen schlendert mit dem Rücken zur Richtung, aus der jederzeit wieder ein Zug kommen kann.

Aber die beiden Verliebten sind nicht die einzigen, die sich in Burbach für die riskante Abkürzung entscheiden. Regelmäßig kreuzen dort Männer wie Frauen die Gleise, um sich den Weg über Brücke und Aufzug zu sparen. Einer steigt aus einer Regionalbahn und wartet, bis sie weiterfährt, um dann hinter ihr mit beiden Händen, hauruck, seinen schweren Trolley über die Schienen zu hieven. Sie alle glauben, dass sie die Lage überblicken. Aber da täuschen sie sich gewaltig. Anfang Juli wurde in Beckingen eine Frau vom Zug getötet. Sie hatte wahrscheinlich das Gleiche gedacht, als sie schnell über die Gleise wollte.

"Die neuen Züge sind sehr leise", sagt ein Sprecher der Deutschen Bahn, "und sie sind schneller da, als man gucken kann." Das Problem mit den Personen auf dem Bahndamm sei dem Unternehmen natürlich bekannt, und selbstverständlich sei Burbach da kein Einzelfall. Aber man könne keine 30 000 Kilometer Schienen einzäunen, um diese Leute auf den richtigen Weg zu leiten. "Was wir tun können, ist, Hausordnung und Hinweisschilder aufzuhängen", so der Bahnsprecher. Darüber hinaus gehe man beispielsweise in Schulen, um auf die Selbstdisziplin der jungen Leute einzuwirken. Aber Zäune - in Burbach gibt es keine zur Straße hin, dafür aber Trampelpfade der Gleisspaziergänger - könne man vergessen.

Die seien zu teuer, weil man dann ja auch Fluchttüren einfügen müsste. Denn ohne wären die Fahrgäste zwischen den Zäunen gefangen, sollte etwas im Zugverkehr passieren. Nur abschnittsweise Maschendraht aufzustellen, wäre zwar billiger, brächte aber wohl wenig. "Die Leute laufen lieber 200 Meter um einen Zaun herum, als die Überführung zu nehmen", sagt der Bahnsprecher. Was also bleibe, ist, an die Vernunft zu appellieren.

Die fehlt vielen. Burbach galt in dieser Sache lange als Problembahnhof, sagt Jürgen Glaub, Pressesprecher der Bundespolizei , aktuelle Meldungen über 2014 hinaus gibt es aber keine. Das heiße natürlich nicht, dass hier nichts passiert. "Die Dunkelziffer ist hoch." Und Todesfälle in der ganzen Republik sprächen eine klare Sprache.

Darunter seien auch Verliebte , die Selfies schießen mit dem Gleis im Hintergrund, dessen Verlauf in die Ewigkeit eigentlich etwas anderes symbolisieren sollte, weiß Glaub zu berichten. Die Polizei will sich die Lage am Burbacher Bahnhof und die Trampelpfade wieder ansehen und gegebenenfalls an die Bahn herantreten. Denn die Gleisspaziergänger schweben in Lebensgefahr .

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Hintergrund Wer auf dem Bahndamm vom Zug erfasst wird, ist tot. Die Bahn formuliert es auf den Punkt. Wer von Ordnungshütern erwischt wird, muss tief in die Tasche greifen. Ohne Störung des Betriebsablaufes fällt ein Verwarnungsgeld von 25 Euro an. Bei Störung des Betriebsablaufs wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet, in das auch entstehende Kosten einfließen. Wenn die Bundespolizei dazu noch eine zeitweilige Sperrung der Strecke anordnet, kann das "sehr teuer" werden, sagt Polizeisprecher Jürgen Glaub. avm

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