Anstieg der Sozialausgaben macht Bürgermeister ratlos

Saarbrücken · Städte und Gemeinden im Saarland müssen immer mehr für Sozialleistungen ausgeben. Das macht harte Einsparungen wieder zunichte. Die Folge: Frust.

Es muss unendlich frustrierend sein für Bürgermeister und Ratsmitglieder. Kaum ist eine unpopuläre Sparmaßnahme wie höhere Steuern oder Gebühren beschlossen, wird sie direkt wieder von der steigenden Kreisumlage aufgefressen. Mit dieser Umlage zahlen die Landkreise die seit Jahren rasant steigenden Sozial- und Jugendhilfeausgaben. Es ist eines der größten Probleme der Saar-Kommunen, wahrscheinlich sogar das größte. Denn um die Umlage und damit die Sozialkosten bezahlen zu können, müssen sich die Städte und Gemeinden verschulden - "ökonomischer Unfug" sei das, sagte der Direktor des Regionalverbands Saarbrücken, Peter Gillo (SPD), in seiner Rede zum Haushalt 2017.

Der Bund beteiligt sich zwar inzwischen stärker als früher an den Sozialleistungen, übernimmt seit Jahren beispielsweise die Grundsicherung, was die Kreisumlage vor Jahren kurzzeitig sinken ließ . Doch die Ausgaben für die anderen Leistungen stiegen so gewaltig, dass die Umlagen schon bald wieder deutlich stiegen (siehe Grafik). Die bisherige Bundes-Beteiligung reiche bei weitem nicht aus, sagt der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, Klaus Lorig (CDU). Unter den Bürgermeistern macht sich Ratlosigkeit breit, aber auch Unmut. "Mir kommt die Galle hoch, wenn ich sehe, dass der Bund schwarze Zahlen schreibt und in halb Europa ganze Staaten vor dem Bankrott rettet, aber zu Hause die Kommunen vor die Hunde gehen lässt", sagte der Gersheimer Bürgermeister Alexander Rubeck (CDU) unlängst in einem SZ-Interview.

Besonders betroffen ist der Regionalverband Saarbrücken, weil sich dort die sozialen Probleme ballen. Die Ausgaben des Regionalverbandes für Sozial- und Jugendhilfe sind seit 2007 um sage und schreibe 73 Prozent gestiegen. Für 2017 ist eine weitere Steigerung der Umlage um 20 Millionen Euro geplant. Besonders drastisch steigen die Ausgaben für die Hilfe zur Pflege. Sie wird an Menschen gezahlt, die sich ihren Platz im Pflegeheim nicht leisten können. Der ehemalige Völklinger Sozialdezernent Peter Hötger sieht darin einen "Sprengsatz für die kommunalen Haushalte". Hötger hat die Entwicklung der Sozialkosten im Regionalverband untersucht und kommt zu einem beunruhigenden Befund: Die Städte und Gemeinden befänden sich mittlerweile in einer "Vergeblichkeitsfalle". Das bedeutet: Sie können sparen, soviel sie wollen, es wird niemals für einen schuldenfreien Haushalt reichen, weil die Sozialkosten immer neue Löcher reißen.

Auch die Ausgaben für die Grundsicherung steigen. Die erstattet zwar der Bund, aber auf den Personalkosten bleiben die Kreise und der Regionalverband sitzen. Auch viele neue Kitas und Krippen bedeuten zusätzliche Ausgaben (die allerdings politisch und gesellschaftlich gewollt sind), ebenso verursachen die Flüchtlinge Sozialausgaben. Hötger sagt, ohne eine Beteiligung des Bundes in Höhe von jährlich 80 Millionen Euro an den Sozialkosten werde "die finanzpolitische Perspektivlosigkeit" der saarländischen Kommunen nicht aufzulösen sein.

Da sich die Problematik in den anderen Bundesländern aufgrund der Sozialstruktur nicht in dieser Schärfe stellt, ist zumindest derzeit nicht erkennbar, dass der Bund deutlich mehr Geld ins System geben wird. Daher wird verstärkt nach Saarland-spezifischen Lösungsmöglichkeiten gesucht. Es sollen Effizienzreserven ausgelotet werden. Skeptiker wenden ein, dass hinter den Sozial- und Jugendhilfekosten Rechtsansprüche stehen, die so oder so gezahlt werden müssen, Einsparungen also gar nicht möglich seien. Die Befürworter wiederum weisen darauf hin, dass es bei den Kosten pro Fall zwischen den Landkreisen im Saarland sowie auch zwischen den Saar-Kreisen und Kreisen in anderen Bundesländern zum Teil deutliche Unterschiede gebe, die nicht plausibel zu erklären seien.

Diese Unterschiede sollen nun genau untersucht werden. Den Auftrag dazu hat das Innenministerium am 16. Dezember 2016 dem Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) erteilt. Bis Anfang 2018 sollen Ergebnisse vorliegen. "Wir versprechen uns davon eine seriöse Grundlage für Diskussionen", sagt Martin Luckas, Geschäftsführer des saarländischen Landkreistages. Das alles sei positiv, sagt auch Städtetags-Präsident Klaus Lorig. "Aber es wird uns nicht die strukturelle Entlastung bringen, die wir wirklich brauchen."

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