Polizeieinsatz in Saarbrücken Das mulmige Gefühl an der Johanneskirche

Saarbrücken · Polizei will Angst vor möglichen Straftätern nehmen. Sozialarbeiter kümmern sich um Menschen am Rande der Gesellschaft.

 Viele Passanten fühlen sich nicht wohl bei dem Gedanken, an der Johanneskirche (links) auf die Saarbahn zu warten. Herumlungernde Gestalten bereiten ihnen Furcht.

Viele Passanten fühlen sich nicht wohl bei dem Gedanken, an der Johanneskirche (links) auf die Saarbahn zu warten. Herumlungernde Gestalten bereiten ihnen Furcht.

Foto: Robby Lorenz

Ein Sanitäter packt einen Mann, der regungslos auf einer Bank am Rand der stark befahren Straße liegt, am Ärmel und zieht leicht an ihm. Dessen Kopf ist weggedreht, seine Arme hängen schlaff herunter: „Hallo, können Sie mich hören?“, erkundigt sich der Helfer. Doch der Bewusstlose reagiert nicht.

Eine Kollegin des Sanitäters befragt währenddessen den Mann, der die Lebensretter alarmierte. Er kennt wohl das Opfer. Dessen Blick geht hektisch hin und her. Rasch blickt er auf den Bekannten, dann zur Sanitäterin. Er weist auf eine Reihe leerer Bierflaschen und Spritzen, die auf dem Boden liegen.

Dann setzt sich der Anrufer auf den Boden, nimmt selbst einen kräftigen Schluck aus seiner Pulle und schüttelt den Kopf. Unterdessen breiten Helfer eine Plane aus und heben sie hoch, um den Verletzten vor der Neugierde jener zu schützen, die in unmittelbarer Nähe auf die Saarbahn warten.

Ein gewohntes Bild an der Johanneskirche in Saarbrücken, wo täglich Hochbetrieb herrscht. Hier kreuzen sich die Wege vieler, die in der City unterwegs sind. Und ein Großteil fühlt sich durch solche Anblicke verunsichert. Verbinden damit Kriminalität. Straftaten, um an Drogen zu gelangen. Sie fürchten, womöglich zwischen die Fronten von Dealern und Abhängigen zu geraten.

Das will die Polizei mit verstärkter Präsenz verhindern und so das Sicherheitsgefühl erhöhen. In der Innenstadt und damit auch auf dem Platz an der Johanneskirche mit seiner Saarbahn-Haltestelle, wo täglich Tausende ein-, aus- und umsteigen. Mehr Ermittler, um Straftaten zu verhindern, sagt ein Polizeisprecher.

Erste Erfolge registriere die Landeshauptstadt bereits, wie deren Pressesprecher Thomas Blug meldet. Die Zahl an Vorfälle sinke.

Widerspruch kommt indes von Besitzern umliegender Geschäfte. Sie sehen das ganz anders. „Im Grunde hat sich nichts verändert“, sagt Reinhold Polenz, Geschäftsfüher eines Möbelladens in der nahen Johannisstraße. „Nach meinem Gefühl trinken die Menschen hier weniger Alkohol. Allerdings hat der Drogenhandel zugenommen“, berichtet Polenz aus seiner Sicht der Lage. Mehr Kontrollen brächten nichts. „Die Randständigen haben kein soziales Verständnis“, sagt der Ladenbesitzer und meint damit die Alkoholkranken und Abhängigen anderer harter Drogen. Sie würden sogar vor der Tür seines Ladens herumlungern. „Es muss besser werden“, fordert  Ladenbesitzerin Nora Frießner, Geschäftsführerin eines Raumausstatters direkt an der Kirche:  „Zwar hat sich die Situation seit 2016 verbessert. Allerdings habe ich immer noch mit Diebstahl zu kämpfen.“ Frießner ist davon überzeugt, dass dies aufs Konto von Banden geht, die sich in dem Umfeld organisiert haben. Das sei allerdings nicht das gravierendste Problem. Hauptsächlich verschmierten Unbekannte immer wieder mit Graffiti die Hausfront und schmissen leere Flaschen vor den Eingang. Dennoch setze sie aber auf die Polizei.

Deren Arbeit soll Angelika Stopp mit ihren Möglichkeiten unterstützen. Sie ist seit Jahresmitte städtische Sozialarbeiterin und will sich um jene kümmern, die am Rande der Gesellschaft angelangt sind.  „Menschen brauchen ein Ziel und eine Struktur im Leben“, sagt Stopp. Darum spreche sie die Betroffenen vor Ort an und biete  Hilfe. Sie begleite die Betroffenen zum Amt, unterstütze bei Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche.

Dabei gehe es der Stadt „nicht darum, die Menschen zu verscheuchen. Jeder hat das Recht, sich in der Stadt aufzuhalten. Auch an der Johanneskirche“, sagt Blug. Aber es gebe Regeln, an die sich jeder halten müsse. Und das verfolge die Verwaltung mit Hilfe der Sozialarbeiterin und der Polizei.

Um den Konflikt zwischen Passanten und Hilfsbedürftigen beizulegen, bietet Saarbrücken seit 2015 bereits einen alternativen Treffpunkt. In der Richard-Wagner-Straße  kommen nach Blugs Angaben am späten Vormittag bis zu 40 Menschen zusammen, die in ähnlichen prekären Lebenslagen stecken, um sich auszutauschen.  „Der Platz wird zu großen Teilen von den Besuchern selbst verwaltet. Sie achten auf Sauberkeit.“  Anfangs klagten Anrainer über Lärm. Das habe sich geändert. Zudem gebe es dort das SOS-Mobil der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Mitarbeiter der psychosozialen Beratungsstelle unterhielten sich mit den Randständigen.

Hier setzt die städtische Sozialarbeiterin Stopp wieder ein: „Ich mag die Bezeichnung Randständige nicht. Es gibt nicht die Randständigen. Jeder Mensch muss einzeln betrachtet werden. Man darf es nicht verallgemeinern.“ Jeder von ihnen habe andere Schwierigkeiten, leide unter anderen Ereignissen, die sie aus der Bahn geworfen haben.

Welcher Schicksalsschlag den bewusstlosen Mann auf der Bank ereilt hat, der ihn so abstürzen ließ, bleibt an diesem Tag verborgen. Er muss zuerst einmal ins Krankenhaus, um wieder auf die Beine zu kommen.

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