Als es bei der Post Helden gab

Saarbrücken · Der Postrat Karl-Heinz Schneider war wohl ein mutiger Mann. Vielleicht auch nur ein zorniger. Am 17. April 1955 stellte sich der Leiter des Fernsprechamts in der Dudweilerstraße zwei "postfremden Personen" in den Weg.

Nicht alleine, einige seiner Mitarbeiter standen an Schneiders Seite. Auch wenn die Postfremden da nach Ansicht der Fernmelder nicht hingehörten, was sie wollten war klar: Leitungen zum Abhören von Telefongesprächen verlegen.

Das, so schreibt Rainer Freyer in seinem soeben im Saarbrücker Geistkirchverlag erschienenen Buch "Saar-Nostalgie - Politik und Alltag in der Saarstaatzeit", war laut saarländischer Verfassung verboten. Trotzdem hatten die Abhörer 77 Telefonanschlüsse im Visier. Sie wollten wissen, was Leute aus der Wirtschaft und der politischen Opposition am Telefon zur Politik von Ministerpräsident Johannes Hoffmann sagten. Also dazu, ob das Saarland zurück zu Deutschland sollte oder nicht. Selbst was der päpstliche Visitator dazu am Telefon zu sagen hatte, interessierte die Ausspähtruppe.

Das hatte sie aber laut Gesetz nicht zu interessieren, fand der Postrat Karl-Heinz Schneider und rief das Überfallkommando zu Hilfe. Das musste aber wieder abziehen, weil die postfremden Personen ein Schreiben des Innenministers zückten, das alle saarländischen Dienststellen anwies, diese vermeintlich bösen Buben zu unterstützen. Das Überfallkommando zog also wieder ab. Der Postrat Karl-Heinz Schneider ließ aber einfach das Kabel zum Kontrollraum, in dem die Lauscher die Gespräche aufzeichneten, kappen.

Nicht alle Geschichten in Freyers Buch, das heute, 19.30 Uhr, in der Buchhandlung Bock & Seip, am Großen Markt in Saarlouis vorgestellt wird, sind so heldenhaft. Aber es ist spannend zu lesen, was er über die Zeit von 1945 bis 1959 zu berichten hat - nicht nur über die Post, auch der Polizei , der Wirtschaft, dem Straßenverkehr, Radio Saarbrücken und dem Saarstatut hat Freyer reichlich bebilderte Kapitel gewidmet. Als er das Buch mit Florian Brunner vom Geistkirchverlag auf den Weg gebracht hat, konnte er natürlich nicht wissen, dass die Debatte um die Auflösung des Saarlandes - ausgerechet durch die Ministerpräsidentin angeheizt - gerade mal wieder besonders heftig tobt. Aber das Buch ist ein guter Beitrag zur Debatte, finde ich. Wer darüber redet, wo er hinwill, tut gut daran, zu wissen, woher er kommt.

Mit all dem Wissen um die Vergangenheit im Kopf denke ich: Ob das Saarland nun eigenständig bleibt oder mit Rheinland-Pfalz fusioniert, ist nicht so wichtig. Wichtig ist: Saarbrücken muss Landeshauptstadt dieses neuen Bundeslandes sein.

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