AfD-Bundesvorstand beharrt auf Auflösung des Landesverbandes

Saarbrücken · Obwohl die Aussichten vor dem Parteigericht nicht sonderlich gut sind, betreibt der AfD-Bundesvorstand weiterhin die Auflösung des saarländischen Landesverbandes. Vor allem in zwei Punkten will er die Richter überzeugen.

Der Beschluss des AfD-Bundesschiedsgerichts vom 10. April scheint eindeutig. Die vom Bundesvorstand am 24. März verfügte Auflösung des Landesverbandes Saar wurde vorerst gestoppt. Die Richter sahen "derzeit keine belastbaren Anhaltspunkte" dafür, dass Mitglieder des Landesvorstandes "gezielt den Kontakt zu rechtsextremistischen Personen bzw. Organisationen gesucht" haben. "Eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit" spricht demnach dafür, dass die Auflösung im Hauptverfahren gekippt wird.

Trotzdem lässt die Bundes-AfD nicht locker. Bundesvorstandsmitglied Dirk Driesang kündigte am Rande des Landesparteitags am Sonntag in Völklingen an, juristisch nachzulegen. Von Rücktrittsforderungen der Delegierten, die ihm eine einseitige Untersuchung vorwarfen, zeigte er sich unbeeindruckt. Seine Hoffnung schöpft er aus dem Umstand, dass das Parteigericht selbst eingeräumt hatte, dass es bislang "nur auf eine unzureichende Tatsachengrundlage" habe zugreifen können und eine abschließende Beurteilung der Vorwürfe noch nicht möglich gewesen sei.

Der Bundesvorstand will das Gericht mit eidesstattlichen Versicherungen ehemaliger und aktueller AfD-Mitglieder überzeugen. Sie sollen etwa belegen, dass AfD-Landeschef Josef Dörr sehr wohl mit der NPD-nahen Freien Bürger-Union (FBU) anbandeln wollte. Eine "Glaubhaftmachung" aus den Reihen der FBU, in der von "zahlreichen Treffen mit Josef Dörr" im Sommer und Herbst 2015 berichtet wird und die detailliert Inhalte der angeblichen Gespräche schildert, liegt der SZ vor. Demnach soll Dörr unter anderem angeboten haben, FBU-Mitglieder zu günstigen Konditionen in die AfD aufzunehmen und den damals inaktiven AfD-Kreisverband Neunkirchen "vorzugsweise mit FBU-Mitgliedern" zu besetzen. Der Name von Dörrs Stellvertreter Lutz Hecker taucht dabei nirgends auf.

Hecker hatte beim Parteitag gesagt, noch am Abend des Besuchs beim FBU-Stammtisch am 22. Juli 2015 in Ensdorf sei "für mich" vollkommen klar gewesen, dass es keine Zusammenarbeit geben könne. Es sei in keinster Weise über eine Kooperation gesprochen worden.

Ein zweiter Komplex betrifft die Teilnahme von Rechtsradikalen (zum Teil NPD-Mitglieder) um die Pfälzerin Ulrike Reinhardt an einer AfD-Demonstration am 4. November 2015 in Saarbrücken . Der Bundesvorstand bezichtigt Hecker hier der Lüge. Dessen Antworten auf die Fragen, wie Reinhardt zu der Demo gekommen sei, ob man sie eingeladen habe und ob es ein Telefonat mit ihr gegeben habe, hätten nicht der Wahrheit entsprochen. Hecker ging darauf beim Parteitag nicht ein.

Als nächstes wird der Mitglieder-Bundesparteitag am 30. April und 1. Mai in Stuttgart über die Auflösung abstimmen. Stimmt er dagegen, ist das Thema erledigt. Stimmt er für die Auflösung, hängt alles davon ab, wie das Schiedsgericht in der Hauptsache entscheiden wird. Dörr ist sich seiner Sache sicher, verweist stets darauf, dass das Parteigericht ein für den Bundesvorstand "niederschmetterndes Urteil" gefällt habe. Dem Bundesvorstand signalisierte er bereits, für eine zukünftig "gedeihliche" Zusammenarbeit sei er "jederzeit bereit, sofort alles zu vergessen, was war".

Meinung:

"Bürgerlich" ist das nicht

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Der Parteitag hat bei der Aufarbeitung der Vorwürfe zwar nichts Neues zu Tage befördert. Dafür hat er in erfreulicher Klarheit gezeigt, wie dieser Landesverband tickt. Der Personenkult um den Vorsitzenden Dörr hat ein Ausmaß erreicht, wie man es im Saarland von keiner anderen Partei kennt. Andersdenkende werden niedergebrüllt, die Diskussionskultur: erschreckend. Selbst Delegierte, die am Mikrofon den allergrößten Stuss verbreiten - etwa dass die Volksparteien die eigentlichen Neonazis seien - müssen keinen Widerspruch fürchten. In jedem Kegelclub und an jedem Stammtisch geht es deutlich seriöser zu als in der AfD Saar. "Bürgerlich" ist dieser Landesverband mit Sicherheit nicht.

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