Abschied von Wachstums-Ideologie

Saarbrücken · Die rheinischen Protestanten, zu denen auch die meisten evangelischen Saarländer zählen, fordern eine Abkehr vom aus den Fugen geratenen Kapitalismus. Die Synode ab Sonntag soll das beschließen.

. Die Evangelische Kirche im Rheinland, zu der auch 146 000 Protestanten aus dem Saarland zählen, hat sich die Kritik am Kapitalismus auf die Fahnen geschrieben. Wie der Saarbrücker Superintendent des Kirchenkreises Saar-West, Christian Weyer, der SZ sagte, gehe es in einer Beschlussvorlage bei der Synode ab diesem Sonntag in Bad Neuenahr um eine "Abkehr von der Ideologie des ewigen Wachstums zu einer Kultur des genug". Das sei der "Abschied von dem aus den Fugen geratenen Kapitalismus ", erklärte Weyer. Dieser Vorstoß wurde im Vorfeld der Synode von der Düsseldorfer Oberkirchenrätin Barbara Rudolph so charakterisiert: "Wir haben uns inspirieren lassen von dem Gedanken der Großen Transformation, mit dem in Politik und Gesellschaft die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Gesinnungs- und Verhaltenswandels gefordert wird."

Weyer sagte, es gehe dabei nicht darum, den Kapitalismus in Bausch und Bogen zu verdammen. "Kapitalismus kann ja auch soziale Marktwirtschaft heißen", betonte der Superintendent. Wenn es jedoch im Kapitalismus darum gehe, Werte zu erzeugen, die gar nicht existent seien, sei er für den Abschied von dieser Wirtschaftsweise. "Abschied vom Kapitalismus klingt immer so ein bisschen wie ,Hoch die internationale Solidarität'", sagte Weyer. Doch die Kirche suche nach einer Ökonomie, die dem Leben diene. Es gehe darum, dass die Menschen auch mit weniger zufrieden seien und sich bewusst machten, dass die Ideologie des Wachstums immer "auf Kosten anderer geht". Jeder Konsument könne durch sein Kaufverhalten zum Wandel beitragen, wenn er etwa nicht zu den billigen spanischen Tomaten, Erdbeeren oder Gurken greife, die von marokkanischen Erntehelfern gegen einen Hungerlohn gepflückt worden seien. "Ich kann ein anderes Wirtschaftssystem nicht von der Regierung fordern, wenn wir selbst unser Verhalten nicht ändern," sagte Weyer. Das sei dann auch unglaubwürdig.

Es gehe auch beim Einkaufsverhalten kirchlicher Einrichtungen darum, zu fragen, unter welchen Produktionsbedingungen die Waren hergestellt worden seien. "Können die Hersteller von dem Erlös leben? Erfüllen die Produkte die Kriterien der Nachhaltigkeit, was den Klimawandel betrifft?", erklärte der Pfarrer. Auch in Sachen Mobilität wolle sich die Evangelische Kirche wandeln: Es solle weniger wegen Gremiensitzungen gereist werden. Stattdessen wolle man mehr per Videokonferenzen miteinander beraten. "Ich selber mache seit Jahren fast alle Dienstreisen außerhalb des Saarlandes mit öffentlichen Verkehrsmitteln", betonte Weyer seinen Beitrag für eine nachhaltigere Verhaltensweise.

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