Abends kommen die Lebensretter

Saarbrücken · Aus Rücksicht auf Kröten, die zurzeit zu ihren Laichplätzen wandern, ist die L260 gesperrt. Wega Kling und Kerstin Lindsay vom Nabu wissen, dass das eine Ausnahme ist. Die SZ begleitete die beiden am Sonntagabend.

 Wega Kling (links) und Kerstin Lindsay kümmern sich am Sonntagabend im Netzbachtal in dieser Szene um einen Grasfrosch. Fotos: Thomas Seeber

Wega Kling (links) und Kerstin Lindsay kümmern sich am Sonntagabend im Netzbachtal in dieser Szene um einen Grasfrosch. Fotos: Thomas Seeber

Sie kennen keinen Wetterbericht und Zebrastreifen sind ihnen auch egal. Und so begibt sich - nennen wir sie einfach Berta - an diesem nasskalten Abend wieder in Lebensgefahr. Berta ist eine von vielen Erdkröten, die sich ihren Weg zu den Laichplätzen im Waldschutzgebiet Netzbachtal suchen. Viele von ihnen kommen nie dort an, werden von breiten Autoreifen einfach platt gefahren. Doch im Netzbachtal können sie hoffen. Dort ist die viel befahrene Landstraße 260 während der Hauptzeit der Amphibienwanderung für den Autoverkehr gesperrt. Und dann gibt es da ja noch Wega Kling und Kerstin Lindsay vom Naturschutzbund (Nabu) Saarbrücken. In dieser Nacht bieten sie den scheuen Tieren einen freiwilligen Transportservice: "Wenn es feucht und nicht zu kalt ist, lieben die Tiere das. Sie sitzen dann zu Hunderten zusammen an und auf den Straßen. Viele Verkehrsteilnehmer wissen oft nicht, dass Amphibien schon durch den geschwindigkeitsabhängigen Strömungsdruck der Autos auf die Fahrbahn sterben können. Abends, wenn sie unterwegs sind, tragen wir sie von Straßenseite zu Straßenseite", erklärt Tierschützerin Wega Kling.

Für sie spielen die Amphibien eine wichtige Rolle im Ökosystem Natur. Deshalb engagiert sie sich gerne ehrenamtlich in diesem Bereich. Und es lohnt sich. In Spitzenzeiten, als noch Zäune an der L260 im Einsatz waren und es die Sperrung nicht gab, wurden bis zu 6000 Tiere vor Ort gerettet: "Dabei ist die Hin- und Rückwanderung berücksichtigt. Der Frühling ist die Jahreszeit für die Krötenwanderung. Sobald sie das Winterquartier verlassen, zieht es sie zum Laichen. Das heißt, sie legen in und um die Gewässer ihre Eier ab, aus denen später Kaulquappen schlüpfen. Danach zieht es sie wieder zurück in ihren ursprünglichen Lebensraum im Unterholz", so Kling.

Taschenlampenlicht

Unterwegs sind längst nicht nur die schwarzbraunen und rotbraunen Erdkröten: "Weiterhin wandern hier im Fischbachtal hauptsächlich Grasfrosch, Fadenmolch, Feuersalamander und Bergmolch." Zu Fuß geht es dann über die L260. Nach ein paar Hundert Metern taucht plötzlich ein kleiner Grasfrosch im Taschenlampenlicht auf, sitzt zuerst wie angewachsen auf dem Asphalt fest. Die plötzliche Aufmerksamkeit ist das scheue Tier nicht gewohnt. Als die beiden Tierschützerinnen ihn versetzen wollen, springt er flux in mehreren Sätzen in die Dunkelheit. Grasfrösche können bis zu elf Zentimeter groß werden - die Weibchen geringfügig größer als die Männchen. Ihr Kopf ist breit und die Schnauze kurz und rund: "Wichtig beim Umgang mit allen Amphibien ist die Hygiene. Damit sich die Tiere nichts einfangen, waschen wir uns vor dem Einsatz die Hände", sagt Wega Kling. Auf dem Rückweg vom Laichplatz ist ein paar Meter weiter ein Krötenweibchen, das schon den ersten Teil der Fahrbahn passiert hat. Kling und Lindsay beschleunigen die Überquerung. So passiert das noch mehrere Male in dieser Nacht. Die beiden Frauen können später mit dem guten Gewissen einschlafen, direkte Hilfe für den Tierschutz geleistet zu haben. Zum Abschied richtet Wega Kling noch einen Wunsch an die Autofahrer: "Unsere regelmäßige Streckenkontrolle dient auch dazu, die Sperrzeit der Straße so gering wie möglich zu halten. Denn, dass ganze Straßen während der Amphibienwanderung gesperrt sind, ist natürlich die Ausnahme.

Wer als Verkehrsteilnehmer Wanderaktivitäten beobachtet, sollte deshalb auf Straßen und Wegen mit Amphibienwanderungen Tempo 30 nicht überschreiten, um den Druck auf die Tiere gering zu halten und so ihre Überlebenschance zu erhöhen."

 Eine Erdkröte wird über die Straße geschubst.

Eine Erdkröte wird über die Straße geschubst.

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Stichwort
Die Gründe für die Krötenwanderung liegen in der Fortpflanzung der Amphibien . Die 13 bis 15 Zentimeter großen, weiblichen Kröten suchen hierzu den Tümpel auf, an dem sie selbst geschlüpft sind, und in denen sie geeignete Lebens- und Wachstumsbedingungen vorgefunden haben. Die Tiere sind ortsgebundene Amphibien . Der Weg zur Laichstelle, dem Ort, wo sie ihre Eier ablegen, wird mittels eines speziellen Organs gefunden - einer Art Navigationssystem. Dabei ziehen die Tiere querbeet durch Wälder, Wiesen, Wohngebiete und Verkehrswege. Kein Weg ist ihnen scheinbar zu weit. Lediglich wenn das Gewässer , an dem eine Kröte aufgewachsen ist, ausgetrocknet ist oder der Weg dorthin verbaut wurde, suchen sich die Tiere andere Stellen. chm

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