„Ab und zu haue ich einen raus“

Saarbrücken · Die Opposition und die SPD halten Klaus Bouillons Auftreten nach dem Anschlag in Berlin für unverantwortlich. Der Minister verteidigt sich. Die anderen Parteien könnten sich an ihm „die Zähne ausbeißen“, sagt er.

Innenminister Klaus Bouillon vermisst eine „ehrliche Diskussion“ über den Schutz der Bevölkerung vor Terroranschlägen. Foto: Dietze/dpa

Innenminister Klaus Bouillon vermisst eine „ehrliche Diskussion“ über den Schutz der Bevölkerung vor Terroranschlägen. Foto: Dietze/dpa

Foto: Dietze/dpa

Aus Sicht von SPD , Linken, Grünen, Piraten und FDP ist Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) ein gerade unberechenbarer Ressortchef, der mit unverantwortlichen Äußerungen Panik und Ängste in der Bevölkerung schürt und damit Populisten in die Hände spielt. Aus Sicht von Klaus Bouillon ist Klaus Bouillon ein verantwortungsbewusster Politiker, der die Dinge beim Namen nennt und handelt, anstatt zu reden.

Seit den besten Tagen von Oskar Lafontaine und Peter Müller hat kein Landespolitiker mehr so stark polarisiert wie der 69-Jährige. Auf den ehemaligen Bürgermeister von St. Wendel schießen sich die linken und liberalen Parteien im Landtagswahlkampf ein. Dazu sagt Bouillon : "An mir werden sie sich die Zähne ausbeißen."

Anlass für die jüngste Welle der Kritik sind Bouillons Äußerungen nach dem Berliner Terroranschlag am Montagabend. In einem SR-Interview hatte er am Dienstagmorgen gesagt: "Wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten." Bouillon nahm den Begriff kurz darauf zurück; er sei nach den Diskussionen mit der Polizeiführung über die Ereignisse "etwas aufgewühlt" gewesen. In Zukunft, versprach er, werde er von "Terrorismus " sprechen.

Die Grünen gestanden Bouillon immerhin zu, dass er "lernfähig" sei. Im Großen und Ganzen aber interessierte Bouillons Rückzieher die anderen Parteien nicht, bis gestern kamen sieben Pressemitteilungen dazu. Thomas Lutze (Linke): "Bouillon verliert jedes Maß und schürt Ängste, was für einen Innenminister vollkommen unverantwortlich ist." Markus Tressel (Grüne): "Bouillon gibt den Brandbeschleuniger." Oliver Luksic (FDP ): "Er sollte den Unterschied zwischen Krieg und Terrorismus kennen." Petra Berg (SPD ): "Jeder Politiker muss seine Worte sorgfältig abwägen, um nicht das Geschäft von Demagogen und Populisten zu machen. Nicht jeder scheint dieser Verantwortung gewachsen." Die SPD will das Thema am Köcheln halten. Ein Parteisprecher erläuterte, die Aussage sei nun einmal in der Welt. Es sei wichtig, angesichts der zunehmenden Verunsicherung in der Bevölkerung klarzumachen, wie sorgfältig die Sprache in der Politik zu wählen sei.

Bouillon erweckt den Eindruck, dass ihn die Kritik nicht sonderlich interessiert: "Das perlt an mir ab." Die Leute wüssten, dass er Lösungen und Konzepte biete "und die anderen nur schwätzen". Er verweist auf bislang vier Sicherheitspakete. Die Polizei habe heute - inklusive Hilfspolizisten, Zivilangestellten und 450-Euro-Jobs - 206 Köpfe mehr als zu seinem Amtsantritt im Herbst 2014. Auf die Forderung der SPD , die Zahl der Neueinstellungen regulärer Polizisten zu erhöhen, geht Bouillon bislang offiziell aber nicht ein.

Dass seine Äußerungen hin und wieder Verstimmungen auslösen, räumt der Innenminister freimütig ein. "Ich bin so, wie ich bin. Ab und zu haue ich einen raus." Dazu zählt nach Ansicht der SPD auch ein Hang zu Übertreibungen. Als Bouillon nach dem Anschlag in Berlin ankündigte, die Polizei werde falls nötig "mit schwerem Gerät antreten", fragten sich führende Genossen, ob Bouillon Panzer auffahren lassen wolle. Gemeint waren Maschinenpistolen.

Als großen Erfolg rechnet sich Bouillon an, dass in der 2016 von ihm geleiteten Innenministerkonferenz (IMK) bei wichtigen Themen inzwischen Einigkeit herrsche: Ausbau der Videoüberwachung, Einsatz der Bundeswehr im Innern, härtere Strafen bei Angriffen auf Polizisten, Überwachung von Messenger-Diensten. Bei der IMK im November in Saarbrücken habe man verabredet, die bislang 19 unterschiedlichen Ermittlungs-Programme der Polizeibehörden in Deutschland zu vereinheitlichen. "Das ist ein Qantensprung", sagt er.

Was in Deutschland allerdings fehle, sei eine offene Diskussion, wie man die Menschen am besten schützen könne. "Ich vermisse die Ehrlichkeit", sagt Bouillon . "Viele Politiker meinen, die Leute wären dumm." Der nächste Anschlag in Deutschland werde kommen. Noch so ein typischer Bouillon-Satz: "Wenn es hier nächste Woche 100 Tote gibt, haben wir dann noch eine Diskussion über Datenschutz?" Man kann sich vorstellen, was in den Pressemitteilungen stehen wird, die die anderen Parteien heute verschicken werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort