5000 Flüchtlinge leben in der Stadt

Saarbrücken · Die Stadt hat seit 2013 rund 2000 Flüchtlinge aus der Landesaufnahmestelle untergebracht. Noch mehr anerkannte Flüchtlinge sind in den vergangenen Jahren nach Saarbrücken gezogen. Das sorgt für Probleme auf dem Wohnungsmarkt.

 Stolz auf Deutschland: Dieser Syrer bejubelte den Sieg der Nationalelf bei der Europameisterschaft 2016 gegen Italien. Foto: Serra

Stolz auf Deutschland: Dieser Syrer bejubelte den Sieg der Nationalelf bei der Europameisterschaft 2016 gegen Italien. Foto: Serra

Foto: Serra

Die Landesaufnahmestelle in Lebach hat der Stadt Saarbrücken 2016 im Vergleich zum Vorjahr weniger Flüchtlinge zugewiesen: Bis zum Stichtag 7. Dezember waren es 718 Personen, im Vorjahr noch 890. Diese Zahlen nannte Guido Freidinger, Leiter des Amtes für soziale Angelegenheiten, im SZ-Gespräch. Waren es im Januar und Februar noch 218 und 324 Flüchtlinge , gingen die Zahlen anschließend deutlich zurück. So kamen im Oktober 15, im November 22 und im Dezember 6. Fünf weitere Flüchtlinge sollten im Dezember noch kommen.

Diese Zahlen betreffen die drei stärksten Flüchtlingsgruppen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea, wobei die Syrer mit 80 Prozent die stärkste Gruppe sind, erläutert Freidinger: "Die Syrer haben eine sehr gute Bleibeperspektive." Der Großteil von ihnen werde und wurde bereits nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Sie dürfen ihre Familien nachholen, erklärt der Amtsleiter. In diesem Jahr seien landesweit über 1000 Familienmitglieder angekommen.

Nicht nur der Nachzug sorgt nach Angaben Freidingers für Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt . Viele anerkannte Flüchtlinge aus anderen Teilen des Saarlandes und des Bundesgebietes seien nach Saarbrücken gezogen. 5000 Flüchtlinge sind insgesamt seit dem Start der Flüchtlingswelle im Oktober 2013 gekommen, aber nur 2000 davon habe die Landesaufnahmestelle in Lebach geschickt. Von dort werden die neu angekommenen Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt. Freidinger: "Die Knappheit an billigem Wohnraum hat sich verschärft."

Dazu komme, dass der Nachzug nicht koordiniert sei, weil die Ausländerbehörde und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht "systematisch" die Zahlen an die Verwaltung melden, sagt der Amtsleiter. Die Stadt Saarbrücken will jetzt Wohngemeinschaften für Flüchtlinge auflösen, wenn dort Einzelpersonen ausgezogen sind. Diese werde die Stadt dann Flüchtlingsfamilien zur Verfügung stellen, erklärt Freidinger: "Wir werden aber niemand zum Auszug zwingen." Auf der Folsterhöhe sollen WGs aufgelöst werden, außerdem in Häusern in Malstatt sowie möglicherweise in der Unterkunft in der Albertstraße in Dudweiler. Weil es billigen Wohnraum vor allem in Malstatt und Burbach gibt, zögen viele dorthin.

Freidinger plädiert dafür, die Richtwerte für die Kosten der Unterkunft für alle Hartz-IV-Bezieher anzuheben. Diese sind entscheidend, wie teuer eine Wohnung sein darf, und werden vom Regionalverband festgelegt. Weil es aber zu wenig günstige Wohnungen gibt, seien Flüchtlinge auch bereit, in teureren Wohnungen zu leben - dafür werde ihnen aber ein Teil der Leistung vom Jobcenter für die Miete abgezogen. Das zeige, wie wichtig die Förderung des sozialen Wohnungsbaus für alle Geringverdiener ist. Zwar fließe Geld vom Bund ins Saarland, dieses werde aber vorwiegend für Sanierungen ausgegeben. Während das auf dem Land sicher richtig sei, plädiert Freidinger für den Bau von neuen Sozialwohnungen in Saarbrücken .

Viele der allein nach Deutschland gekommenen Syrer, Afghanen oder Eritreer bleiben nach Angaben Freidingers in den Gemeinschaftsunterkünften (GU) wohnen. 233 sind es derzeit, sie warten dort auf ihre Anerkennung. Dazu kommen 580 Flüchtlinge , die in Wohnungen der Siedlungsgesellschaft oder in von der Stadt bei privaten Anbietern gemieteten Wohnungen unterkamen. Ziel der Stadt: Die Privatvermieter sollen mit den anerkannten Flüchtlingen direkt Mietverträge abschließen. So ist die Zahl der von der Stadt gemieteten Privatwohnungen im Dezember auf 51 gesunken. Im Mai war der Höchststand mit 92 Wohnungen. Bei der Siedlungsgesellschaft sind es 93 Wohnungen, auch sie habe mit einigen Flüchtlingen selbst Mietverträge geschlossen.

Freidinger zieht eine positive Bilanz der Flüchtlingspolitik: "Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land läuft seit Mitte 2015 sehr gut. Es gibt einen regelmäßigen runden Tisch der Landesaufnahmestelle mit den Kommunen." Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei lobt Freidinger. Streitereien von Flüchtlingen habe es vereinzelt gegeben, aber keine Übergriffe von Anwohnern gegen die GUs. "Die Polizei observiert die Unterkünfte regelmäßig, das funktioniert hervorragend." In der Kossmannstraße habe es im Sommer Beschwerden von Anwohnern wegen Ruhestörung gegeben. Freidinger: "Wir haben schnell interveniert. Am Ende haben Anwohner und Flüchtlinge ein Sommerfest gefeiert. Seitdem habe ich nie wieder etwas gehört." Wie sieht die Bilanz der Landespolizeidirektion in Bezug auf die Kriminalität von Flüchtlingen aus? Nach Angaben von Sprecher Stephan Laßotta stehen die Zahlen für 2016 noch nicht fest. Er verweist auf das "Lagebild" des Bundeskriminalamts, dessen Aussagen auch auf das Saarland zuträfen. Das bezieht sich aber nur auf das erste Quartal 2016: "Die Straftaten, begangen durch Zuwanderer, sind von Januar bis März um mehr als 18 Prozent gesunken. Der weitaus größte Anteil der Zuwanderer beging keine Straftaten." Die Zahl der Tatverdächtigen zum Beispiel bei Syrern, Afghanen und Irakern sei, gemessen an ihrem Anteil an den Zuwanderern insgesamt, gering. Laßotta bestätigt das: "Die Flüchtlinge fallen nicht verstärkt auf." Zudem war 2015 die Zahl der Verbrechen im Saarland insgesamt gesunken.

Meinung:

Kraftakt für neue Wohnungen

Von SZ-Redakteur Markus Saeftel

 Im Februar brachte die Stadt 70 Flüchtlinge, darunter auch diese Kinder, in einer Halle in Burbach unter, bis ein Gebäude in der Hochstraße bezugsfertig war. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Im Februar brachte die Stadt 70 Flüchtlinge, darunter auch diese Kinder, in einer Halle in Burbach unter, bis ein Gebäude in der Hochstraße bezugsfertig war. SZ-Archivfoto: Becker&Bredel

Die Verwaltung hat es bisher geschafft, den Zuzug der Flüchtlinge gut zu managen - dank vieler Informationsveranstaltungen und ehrenamtlicher Helfer in den Stadtteilen. Es gab wenig Ärger zwischen Anwohnern und Bewohnern der Unterkünfte. Das ist eine gute Nachricht. Aber: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt wird immer prekärer. Es gibt zu wenige günstige Wohnungen - das gilt für alle Menschen mit geringem Einkommen, Deutsche und Flüchtlinge . Jetzt rächt sich, dass der soziale Wohnungsbau lange vernachlässigt wurde. Die Politik muss gegensteuern: Fördergeld vom Bund sollte gezielt für Neubauten in Saarbrücken ausgegeben werden, damit mehr günstiger Wohnraum entsteht. Sonst könnte die Stimmung in manchen Stadtteilen kippen.

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