Bucherscheinung Baumeister Stengel über der Kebab-Bude

Saarbrücken · Ein großartiges neues Buch zeigt und erklärt „Saarbrücken und sein barockes Erbe“. Es ermöglicht faszinierende Entdeckungen.

 Unser Prachtstück: Die Ludwigskirche mit ihren vielen schönen Details und dem schönen, harmonischen Platz gilt als eines der herausragenden Bauwerke des späten Barock in Deutschland. Sie darf in dem opulenten Buch natürlich nicht fehlen.

Unser Prachtstück: Die Ludwigskirche mit ihren vielen schönen Details und dem schönen, harmonischen Platz gilt als eines der herausragenden Bauwerke des späten Barock in Deutschland. Sie darf in dem opulenten Buch natürlich nicht fehlen.

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN

  Auch wer sich in Saarbrücken nur wenig für Geschichte und Architektur interessiert, wird wissen, dass die Ludwigskirche samt Ludwigsplatz, das Schloss und die Basilika St. Johann ursprünglich barocke Bauten des famosen Baumeisters Friedrich Joachim Stengel (1694-1787) sind. Aber wie sieht es mit dem St. Johanner Markt aus? Und dem Marktbrunnen? Und wo kann man sonst noch in unserer Stadt Stengel-Bauten finden? Wen das interessiert, der hat jetzt die Möglichkeit, sich umfassend darüber zu informieren.

Ulrike und Manfred Jacobs haben im Geistkirch-Verlag das Buch „Saarbrücken und sein barockes Erbe“ herausgegeben. In diesem Buch werden neben den bekannten, großen Bauten des Architekten ganz besonders auch architektonische Details, kleinere Wohnhäuser und sogar Forsthäuser und Jagdschlösser vorgestellt.

Und um es vorwegzunehmen, das Buch ist grandios und schließt eine wichtige Lücke in der regionalen Architekturliteratur. Denn Ulrike und Manfred Jacobs haben akribisch und ausführlich auch alle barocken Wohnhäuser aufgelistet – und man kann sich wundern, was da alles zusammengekommen ist.

Egal ob Talstraße, Schlossstraße, der St. Johanner Markt oder die Palais am Ludwigsplatz – nichts wurde vergessen, und jedes Gebäude wird mit einem Foto vorgestellt. Und das ist das Besondere, der Charakter des Buchs. Denn es sind jede Menge Pläne, Karten, Zeichnungen, aber insbesondere auch die Fotos des Saarbrücker Fotografen Tom Gundelwein in hochwertiger Qualität abgebildet.

Diese Fotos bei Sonnenlicht und blauem Himmel lassen die weiß-grauen Architekturen von Friedrich Joachim Stengel strahlen. Tom Gundelwein ist es nicht nur gelungen, die Gebäude möglichst ohne störende Autos aufzunehmen, sondern auch Ansichten und Perspektiven der Gebäude so einzufangen, wie man sie nur selten sieht. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viel Zeit Tom Gundelwein in seine Arbeit investiert hat. Die Architektur kommt auf den Fotos bestens zur Geltung, viele Details sind überraschend gut erkennbar.

Neben den Fotos sind es auch Abbildungen von Gemälden des Saarlandmuseums, die das Buch veredeln. Ob Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken, Friedrich Joachim Stengel oder aber auch die „Schöne Perlerin“ Margarethe Perl aus Numborn, die Abbildungen der Gemälde führen dem Leser die Barockzeit authentisch vor Augen.

Das Buch ist nicht chronologisch geschrieben. Beginnend mit dem Saarbrücker Schloss führt es den Leser auf einen Spaziergang durch die Straßen der barocken Viertel Richtung Ludwigskirche, die als Höhepunkt der Stengelschen Architektur einen großen Raum einnimmt. Sie wird dem Leser mit vielen Abbildungen von innen und von außen präsentiert. Dabei lassen die beiden Autoren oft andere zu Wort kommen. Ihre Texte sind mit vielen Zitaten anderer Autoren gespickt, wie dem Stengel-Forscher Lohmeyer, aber insbesondere auch von Friedrich Joachim Stengel selbst, der einen handgeschriebenen Lebenslauf hinterlassen hat.

Sehr informativ sind die grau-beige hinterlegten Texte, die Ulrike und Manfred Jacobs in ihre Aufzählung der Bauten eingeschoben haben. Hier werden häufig Personen vorgestellt, barocke Stadtgeschichte erläutert oder aber auch aufgezählt, was im fürstlichen Gemüsegarten angebaut wurde. Das ist unterhaltsam und liest sich sehr angenehm. Etwas schwerer zugänglich sind die kunsthistorischen Architekturbeschreibungen der einzelnen Gebäude mit vielen Fachausdrücken. Am Ende des Buchs finden sich dafür keine Erläuterungen, wie meist üblich, sondern eine chronologische Zeittafel der Bautätigkeit Stengels.

 Ein Blick in die Wilhelm-Heinrich-Straße im Jahr 1870, im Hintergrund die Ludwigskirche.

Ein Blick in die Wilhelm-Heinrich-Straße im Jahr 1870, im Hintergrund die Ludwigskirche.

Foto: Saarlandmuseum, Fotografische Sammlung
 Die Wilhelm-Heinrich-Straße heute, wären die vielen Autos nicht, wäre der Blick fast noch der gleiche.

Die Wilhelm-Heinrich-Straße heute, wären die vielen Autos nicht, wäre der Blick fast noch der gleiche.

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN
 Dieses Doppelhaus in der Schlossstraße hat noch Substanz aus dem 16./17. Jahrhundert und wurde zu Stengels Zeit erweitert.

Dieses Doppelhaus in der Schlossstraße hat noch Substanz aus dem 16./17. Jahrhundert und wurde zu Stengels Zeit erweitert.

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN
 Das Buch-Cover.

Das Buch-Cover.

Foto: Geistkirch Verlag
 Die Talstraße, wie sie um 1900 aussah. Viele Häuser wurden im Krieg zerstört, einiges wieder aufgebaut. Wenn man genau hinschaut, entdeckt  man Besonderheiten wie das Haus Nummer 10 (Foto rechts).

Die Talstraße, wie sie um 1900 aussah. Viele Häuser wurden im Krieg zerstört, einiges wieder aufgebaut. Wenn man genau hinschaut, entdeckt  man Besonderheiten wie das Haus Nummer 10 (Foto rechts).

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN
 Es hätte nicht viel gefehlt, und Bahnhofstraße 26 mit dem pittoresken Innenhof gäbe es nicht mehr. Für die Rathaus-Erweiterung sollte das Barockhaus seinerzeit fallen, was eine Bürgerinitiative verhindert hat.

Es hätte nicht viel gefehlt, und Bahnhofstraße 26 mit dem pittoresken Innenhof gäbe es nicht mehr. Für die Rathaus-Erweiterung sollte das Barockhaus seinerzeit fallen, was eine Bürgerinitiative verhindert hat.

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN
 Bei manchem Haus muss man genau hinschauen, um Barock zu erkennen. wie hier beim Nassauer Hof, einstmals ein Forsthaus, heute mit Kebab-Grill zentral in der Saarbrücker Straße 267 in Dudweiler gelegen.

Bei manchem Haus muss man genau hinschauen, um Barock zu erkennen. wie hier beim Nassauer Hof, einstmals ein Forsthaus, heute mit Kebab-Grill zentral in der Saarbrücker Straße 267 in Dudweiler gelegen.

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN
 Manchmal muss man genau hinschauen, um das barocke Erbe zu sehen. Foto: Tom Gundelwein

Manchmal muss man genau hinschauen, um das barocke Erbe zu sehen. Foto: Tom Gundelwein

Foto: Tom Gundelwein/TOM GUNDELWEIN

Das Buch ist eine Würdigung von Friedrich Joachim Stengel und seiner barocken Baukunst und zeigt dem Leser, wie sehr er bis heute Saarbrücken geprägt hat und wie viele prächtige Bauten wir ihm verdanken. Selbst der heute kaum mehr zu erkennende „Nassauer Hof“ in Dudweiler wird erwähnt, dessen aktueller Zustand von den Autoren zu Recht beklagenswert genannt wird, und dass er „den staatlichen Stellen ein schmerzlicher Dorn im Auge sein sollte“.

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