Grubenunglück von Luisenthal Kunst in der Saarbrücker Europa-Galerie erinnert an das schlimmste Unglück der Saar-Geschichte

Saarbrücken · Ferdinand Selgrad schuf die Fensterfronten im historischen Treppenhaus der Bergwerksdirektion in Saarbrücken. Es soll an die Katastrophe in Luisenthal von 1962 erinnern.

Glasfenster von Ferdinand Selgrad zieren das historische Treppenhaus der Europagalerie in Saarbrücken.

Glasfenster von Ferdinand Selgrad zieren das historische Treppenhaus der Europagalerie in Saarbrücken.

Foto: Iris Maria Maurer

Das historische Treppenhaus der Europagalerie ist eines der schönsten von Saarbrücken. Es stammt, wie auch die Fassaden, von der ehemaligen Bergwerksdirektion aus dem Jahr 1880 und ist heute in die Einkaufsgalerie miteinbezogen. So können sich jeden Tag hunderte Besucher der Galerie auch die Glasfenster von Ferdinand Selgrad anschauen, die seit 1964 das schmiedeeiserne Treppenhaus zieren.

Die Fenster gehen auf das schwerste Unglück in der Geschichte des Steinkohlebergbaus an der Saar zurück. Am 7. Februar 1962 wurden durch eine Schlagwetterexplosion in der Grube Luisenthal 299 Bergleute getötet. Um die Toten zu ehren, wurde vom Vorstand der Saarbergwerke AG ein Wettbewerb für ein Ehrenmal ausgeschrieben. Als Ort für dieses zentrale Erinnerungsmal wählte man die Fensterfronten im ersten und zweiten Obergeschoss des historischen Treppenhauses der Bergwerksdirektion. Man entschied sich für den Entwurf von Ferdinand Selgrad, die Fenster wurden im Jahr 1964 von der Firma Derix aus Rottweil ausgeführt.

In einer abstrahierten Formensprache hat Ferdinand Selgrad diese Glasfenster geschaffen. Er stellt einen toten Bergmann in das Zentrum der figürlichen Darstellung. Eine Frau hält den schweren, leblosen Körper des Toten mit den schlaff herunterhängenden Armen. Die umgefallene, erloschene Grubenlampe liegt vor ihm. Die Darstellung erinnert unweigerlich an eine Pietà.

Im rechten Fenster werden zwei Kinder abgebildet, die von der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, geleitet werden. Im Hintergrund sind Fördertürme zu sehen. Im linken Fenster werden Bergleute in ihrer Festtagstracht abgebildet, als Ehrenwache für den Toten. Die Farbe Blau dominiert die drei recht dunklen Fenster, das mit wenig Rot und Gelb kontrastiert wird. Die Darstellung der drei Fenster erinnert an ein Triptychon, einen dreiteiligen Altaraufsatz.

In den Fenstern des zweiten Obergeschosses wählte Ferdinand Selgrad ungegenständliche Formen. Hier dominiert opakes Milchglas mit roten Formen im mittleren Fenster und nur wenigen blaugrauen Elementen in den seitlichen Fenstern. Form und Farbe dieser Glaselemente harmonieren mit den dekorativen, schmiedeeisernen Formen des Treppenhauses, die dem Jugendstil zuzuschreiben sind.

Ferdinand Selgrad ist einer der bedeutendsten Glaskünstler des Saarlandes. Der Künstler, 1927 in Neunkirchen geboren, besuchte von 1942 bis 1944 die Meisterschule des Deutschen Handwerks in Kaiserslautern und war nach dem Weltkrieg Gründungsschüler der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken in der Meisterklasse von Boris Kleint. Zu Beginn der 1950er Jahre besuchte er die Klasse für Glasfenstergestaltung, Mosaik und Fresko an der „École des arts appliqués“ in Paris. Nach seinem Abschluss entwarf er zahlreiche Glasfenster, Mosaike, Reliefs und Wandmalereien für Sakral- und Profanbauten im Saarland, wie die Glasfenster für die Katholische Pfarrkirche St. Maternus in Aschbach, die er gemeinsam mit der Künstlerin Marianne Aatz ausgeführt hat, und für die Kirchen in Alsweiler, Emmersweiler, Dudweiler, Ottweiler oder Wiebelskirchen. Darüber hinaus war er von 1969 bis 1992 als Kunsterzieher in Neunkirchen tätig. Ferdinand Selgrad lebt und arbeitet in Spiesen.

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