Hannoveraner Medienwächter Scharf kritisierter Spiegel-Beitrag über Saarbrooklyn verstößt nicht gegen journalistische Grundsätze

Saarbrücken/Hannover · Die Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) hat in ihrer Sitzung am Donnerstag (19. September) bei dem Beitrag Saarbrooklyn“ keinen Verstoß gegen programmliche Anforderungen des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) festgestellt.

Damit werben Kritiker des Spiegel-Beitrages auf ihre Art und Weise für Saarbrooklyn und drehen es zur Positivmarke.

Damit werben Kritiker des Spiegel-Beitrages auf ihre Art und Weise für Saarbrooklyn und drehen es zur Positivmarke.

Foto: Marisa Winter

Das teilen die Medienwächter in einer Mitteilung auf ihre Internetseite mit. Der Beitrag von dctp – Entwicklungsgesellschaft für TV-Programm mbH im Auftrag von Spiegel-TV war am 15. Juli um 23:25 Uhr bei RTL ausgestrahlt worden. Er befasste sich mit sozialen und gesellschaftlichen Problemen in Saarbrücken und hatte dort für einen Aufschrei gesorgt.

 Kritisierter TV-Beitrag von Spiegel über Saarbrücken wird von Medienwächtern nicht beanstandet.

Kritisierter TV-Beitrag von Spiegel über Saarbrücken wird von Medienwächtern nicht beanstandet.

Foto: Screenshot Matthias Zimmermann

Laut Einschätzung niedersächsischen Medienanstalt entspricht der Beitrag „den anerkannten journalistischen Grundsätzen und hält gesetzliche Ausgewogenheitsanforderungen ein“. Aus Sicht der Kontrolleure gebe es kein umfassendes Neutralitätsgebot, das es dem Veranstalter untersagen würde, Probleme unter einem bestimmten Blickwinkel zu schildern.

Grund für die Prüfung war eine Programmbeschwerde der Landeshauptstadt Saarbrücken, die zwei tage nach der Ausstrahlung eingegangen war. Adressat: die Landesmedienanstalt Saarland (LMS). Die dortigen verantwortlichen leiteten aus Zuständigkeitsgründen die Beschwerde nach Hannover weiter.

Saarbrückens Verwaltungsdezernent für Rechtsangelegenheiten, Jürgen Wohlfarth, wertet die Entscheidung indes nicht als völlige Niederlage der Landeshauptstadt. So habe die Landesmedienanstalt die Beschwerde sehr intensiv geprüft, „da sie ihr nicht unbegründet erschien“. Zwar gebe es keine Beanstandung. Jedoch: „Sie kommt in ihrem Fazit aber auch zu dem Ergebnis, dass der Beitrag eine klare Tendenz und eine klare redaktionelle Zielsetzung aufweist und insofern nicht vollständig neutral ist.“ Wohlfarth nennt den Beitrag nach wie vor tendenziös. So respektiere die Verwaltung die Entscheidung, die der Landeshauptstadt keine Kosten verursacht habe. „An unserer inhaltlichen Kritik an dem Beitrag halten wir fest“, schließt der Dezernent.

Von einem „überspitzten und wertenden Beitrag“ sprach am Freitag auch der künftige Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU). Für ihn sei indes die Entscheidung der Landesmedienanstalt in Niedersachsen „nicht überraschend“ gekommen. Schließlich schütze das Grundrecht auf Meinung auch tendenziöse und einseitige Berichterstattung. Die Reaktionen aus der Saarbrücker Gesellschaft heraus zeigten ihm, dass es einen „sehr guten Zusammenhalt“ in der Landeshauptstadt gibt.

„Es war klar, dass die Programmbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Aber man hat sich intensiv mit dem Beitrag und dem dazugehörigen fragwürdigen Sendeformat beschäftigt und ist entsprechend sensibilisiert für zukünftige nicht neutrale Beiträge mit klarer einseitiger Tendenz.“ So reagierte Marissa Winter. Sie ist eine der Betreiberinnen der Facebook-Plattform „I love SB“. Sie hatte nach dem Spiegel-TV-Beitrag dazu aufgerufen: „Lasst uns stolz sein auf unser Saarbrooklyn! Gradselääds!“ Um das zu zeigen, hatte Winter einen Saarbrooklyn-Anstecker gestaltet. Der Verkaufserlös des Ansteckers ging an karitative Vereine in Saarbrücken. Dabei kamen bislang über 4000 Euro zusammen.

Die Debatte über die Sendung habe sich damit im Nachhinein positiv auf Saarbrücken ausgewirkt. Dank der „großartigen Einsatzbereitschaft vieler Saarbrücker Geschäftstreibenden und der spendenwilligen Bürgerinnen und Bürger“ habe der unselige Spiegel-TV-Beitrag am Ende dann ja doch auch noch etwas Gutes. „Saarbrücken hat großen Zusammenhalt bewiesen, das zeichnet diese Stadt aus.“

In dem von der Landeshauptstadt beanstandeten Beitrag hatten Reporter für einen Fernsehbeitrag im überwiegenden Teil Menschen des Problembezirks Folsterhöhe begleitet, interviewt und in deren Wohnumfeld geblickt. Nach Ansicht der Kritiker dieser Sendung verallgemeinerten die Journalisten die sozialkritische Lage eines ausgewählten Bezirks auf das Gesamterscheinungsbild Saarbrückens, was nicht der Realität entspreche. Es sei ein verzerrtes Bild der Stadt dargestellt worden.

Unterdessen wurden auch Vorwürfe laut, ein Drogenabhängiger sei dafür von der Produktionsgesellschaft bezahlt worden, um sich vor der Kamera eine Spritze zu setzen. Diese Darstellung dementierten die Produzenten und drohten mit rechtlichen Schritten gegen diese Darstellung.

Selbst Bewohner des im Beitrag gezeigten Wohngebietes Folsterhöhe mit seinen Wohnhochäusern und sozialen Brennpunkten wehrten sich gegen die Darstellung.

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