Serie Barrierefreies Saarbrücken Rückschritt für die Deutsche Post

Saarbrücken · Die Postfiliale in Dudweiler ist vorbildlich barrierefrei. Im Mai wird sie geschlossen. Über den neuen Standort gibt es Streit.

 Die Deutsche Post hat angeboten, am Hintereingang der Filiale im Tabakladen eine Rampe zu bauen. Gesamtbehindertenbeauftragte Dunja Fuhrmann kam zu dem Urteil: zu schmal.

Die Deutsche Post hat angeboten, am Hintereingang der Filiale im Tabakladen eine Rampe zu bauen. Gesamtbehindertenbeauftragte Dunja Fuhrmann kam zu dem Urteil: zu schmal.

Foto: Nina Drokur

Was heißt eigentlich Barrierefreiheit, wem hilft sie am meisten, und wo liegen die größten Probleme? Die SZ hat sich in der Serie „Barrierefreies Saarbrücken“ mit diesen Fragen beschäftigt, Menschen mit Behinderungen in ihrem Alltag begleitet und sich aktuelle Problemfälle angeschaut. Für den zweiten Teil waren wir in Dudweiler unterwegs. Dort schließt eine vorbildlich barrierefreie Postfiliale zugunsten einer, die diesen Standard voraussichtlich nie erreichen wird.

Das Finanzcenter der Postbank in Dudweiler, wo sich zurzeit auch eine Filiale der Post befindet, ist ein gutes Beispiel für Barrierefreiheit: ein eigener Aufgang für Rollstuhlfahrer, breite elektronische Türen, Parkplätze direkt vor der Tür. Die Postbank wird diese Filiale Ende Mai schließen, und damit muss auch die Post weichen. Einen neuen Kooperationspartner fand Vertriebsmanager Patrick Mees in einem Tabakladen am anderen Ende der Saarbrücker Straße. Rigobert Schäfer betreibt dort bereits eine kleine Poststelle, die zukünftig ausgebaut werden soll (wir berichteten).

Das Problem: Das in die Jahre gekommene Gebäude gegenüber dem Gasthaus „Zum Krokodil“ ist nur über drei große Stufen zugänglich. Seit 2016 gibt es das Behindertengleichstellungsgesetz, „jedoch hat die Bundesregierung es versäumt, auch private Dienstleister zur Barrierefreiheit zu verpflichten“, sagte Dunja Fuhrmann, Gesamtbehindertenbeauftragte für den Regionalverband Saarbrücken, bei einem Treffen vor Ort, zum die Linkenfraktion im Bezirksrat Dudweiler aufgerufen hatte. Sie könne deshalb nur an die moralische Verpflichtung der Deutschen Post appellieren. Es treffe schließlich nicht nur Menschen mit Behinderung. Auch ältere Menschen mit Rollator könnten die Stufen nicht überwinden. Und gerade Senioren machen nicht alles online, sagte Fuhrmann. „Die möchten Kontakt haben. Zur Post gehen, heißt an der Gesellschaft teilnehmen. Den Kinderwagen draußen stehen lassen, geht auch nicht.“

Grundsätzlich legt die Deutsche Post großen Wert auf Barrierefreiheit, versicherte Bernd Dietrich, Regionaler Politikbeauftragter der Deutschen Post. Es sei aber nicht immer realisierbar. Zwei Lösungsansätze stellte er vor: „Am Eingang ist eine Klingel angebracht. Wenn es klingelt, kommt jemand und bedient sie.“ Der Behindertenbeauftragte Michael Wagner, selbst Rollstuhlfahrer, war empört und bezeichnete die Klingel als „menschenverachtend“. Auch Dunja Fuhrmann, die ebenfalls auf einen Rollstuhl angewiesen ist, fand, die Klingel könne höchstens eine vorübergehende Lösung sein. „Die Klingel ist bescheuert. Ich möchte Sie mal sehen, wenn ab sofort jeder Brillenträger draußen warten müsste“, sagte sie zu dem Post-Vertreter mit Brille. Für den zweiten Vorschlag wurde das Gespräch zum Hintereingang des Hauses verlagert. Dort sei es möglich, eine Rampe anzubringen. Fuhrmann nahm Maß und kam zu dem Urteil: zu schmal. Zudem sei der Anstieg zum Hintereingang viel zu steil. Und: Ob auf dem kleinen Hof überhaupt Autos parken können und eine Rampe gebaut werden darf, konnte an diesem Tag keiner abschließend klären. Schilder verweisen dort auf ein Privatgrundstück und im Fenster des Nachbargebäudes ist die Aufschrift „Zu Verkaufen“ deutlich sichtbar.

Eine Lösung, mit der beide Parteien zufrieden wären, wurde auch nach anderthalb Stunden hitziger Diskussion nicht gefunden. Die Post hält jedenfalls an dem Standort in der Saarbrücker Straße 234 fest. Dietrich möchte es zumindest mal ausprobieren.

 Eine Klingel ist zurzeit die Lösung für Rollstuhlfahrer, wie der Behindertenbeauftragte Michael Wagner hier demonstriert. Er hält die Klingel für „menschenverachtend“.

Eine Klingel ist zurzeit die Lösung für Rollstuhlfahrer, wie der Behindertenbeauftragte Michael Wagner hier demonstriert. Er hält die Klingel für „menschenverachtend“.

Foto: Nina Drokur

Damit nehme er jedoch in Kauf, Menschen auszuschließen. „Es müsse doch längst jeder kapiert haben, dass Barrierefreiheit Grundvoraussetzung dafür ist, damit für Menschen mit Behinderungen alle Lebensbereiche genauso zugänglich und nutzbar sind, wie für Menschen ohne Behinderungen auch“, schrieb Dunja Fuhrmann in einem Magazin für selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Körperbehinderung. „Oder mit welchem Recht darf man uns aus der Normalität der Nichtbehinderten ausschließen?“

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