Porträt Die Reibeisenstimme vom Planeten Saar-Lor-Lux

Homburg/Saarbrücken · Roland Helm ist ein musikalisches Urgestein. Mit „Saarebruck Libre“, dem Duo Eckstein und als Leonard Cohen von der Saar ist er weltweit unterwegs.

 Nur echt mit Gitarre: Roland Helm auf der Couch in seinem Wohnzimmer. Der frühere SR-Mann genießt einen ausnehmend unruhigen Ruhestand, ist ständig mit einem seiner vielen Musik-Projekte beschäftigt und viel unterwegs.

Nur echt mit Gitarre: Roland Helm auf der Couch in seinem Wohnzimmer. Der frühere SR-Mann genießt einen ausnehmend unruhigen Ruhestand, ist ständig mit einem seiner vielen Musik-Projekte beschäftigt und viel unterwegs.

Foto: Kerstin Krämer

Er ist Weltreisender, Radiomacher, Sänger, Gitarrist, Moderator, Autor und Lehrbeauftragter. Und seit ein paar Jahren hat Roland Helm, außerdem stolzer Vater dreier Söhne, verzückter Großvater zweier Enkeltöchter, Mitbegründer des Pop-Rats und Mitherausgeber der „Saar Rock History“, noch eine weitere Identität: „Ich fühle mich wie ‚The German Cohen‘!“ sagt Helm.

Zumindest dürfte er der wohl bekannteste deutsche Interpret des 2016 verstorbenen frankokanadischen Songwriters Leonard Cohen sein, dessen Lieder er mit seinem überraschend erfolgreichen Tribute-Projekt weiterleben lässt.

Vor drei Jahren ging der heute 68-jährige SR-Journalist in Rente, aber langweilig ist ihm kein bisschen, weil’s eben doch eher ein Unruhestand ist. „Für mich wär‘s tödlich, wenn ich nix zu tun hätte. Mir geht’s gut!“ strahlt Helm, das Haar wie eh und je verstrubbelt, mit seinem typischen, leicht bärbeißigen Grinsen.

Dass er seit fünf Jahren für die Geisteswissenschaftler der Saar-Uni Radioseminare im Bachelor Optionalbereich anbietet, empfindet er als „angenehme Verlängerung“ seiner Zeit auf dem Halberg. Und die würdigt er als Privileg. Denn egal, ob als freier Mitarbeiter, USA-Korrespondent, Moderator oder SR1-Unterhaltungsschef: „Ich hatte das Glück, meine Leidenschaft für Sprache und Musik beim Rundfunk leben zu dürfen“, sagt Helm.

Dabei war seine Radiokarriere eher Zufall; dem studierten Volkswirt und Politologen hätte auch ein Leben als Diplomat gefallen können. Schließlich hat er die halbe Welt bereist und spricht mehrere Sprachen fließend, neben Französisch und Englisch auch Spanisch; ein paar Brocken Chinesisch kann er obendrein.

Aber es war just sein Weltenbummlertum, zu dem er Ende der 70-er Jahre von SR-Mann Otto Deppe interviewt wurde. Und der war von Helms Fabuliertalent und seiner dunkel timbrierten, viril vibrierenden Mikrofonstimme so angetan, dass er ihn quasi verhaftete.

Doch parallel führte Helm stets eine Zweitexistenz als Musiker, die jetzt immer dominanter wird – passend zu einem gewissen Charakterzug: „Ich hab immer gemacht, was ich wollte, und mich nie am Publikumsgeschmack orientiert“, definiert Helm sein Selbstverständnis als Musiker.

Als Knabe hatte er zunächst Klavierunterricht und brachte sich dann, mit Unterstützung seines älteren Bruders, autodidaktisch das Gitarrenspiel bei. Dieses Instrument wurde zur Leidenschaft: Als passionierter Jäger und Sammler hortete Helm zeitweilig bis zu 50 Klampfen, akustische wie elektrische. Heute hat er den Bestand auf zehn reduziert; darunter eine so genannte Dobro (Metallresonator-Gitarre) und eine kastenförmige, ähnlich dem Modell, das Bo Diddley gespielt hat.

In den 70ern machte Helm Tanzmucke oder trat solo in der „Steckdose“ auf, dem heutigen „Café de Paris“. Die Gage damals? Helm lacht. „50 Mark, Spaghetti mit Doppelkäs, Getränke frei.“ Aber die Zeiten des Barden, der allein auf der Bühne steht, seien vorbei, meint Helm.

Immer noch quicklebendig ist dagegen das Jahrzehnte alte Duo Eckstein mit dem ehemaligen SR-Mitarbeiter Michael Geib. Der Name ist inspiriert von Nikolaus Warken, genannt „Eckstein“ (1851-1920): Bergmann, Arbeiterführer und Vorsitzender der Bergarbeiter-Gewerkschaft Rechtsschutzverein, die im Bildstocker Rechtsschutzsaal (dem ältesten Gewerkschaftsgebäude Deutschlands) residierte.

Dort stellen Helm und Geib nun am 30. April eine CD mit Bergarbeiterliedern vor, die sie im Auftrag der Arbeitskammer des Saarlandes anlässlich Warkens 100. Todesjahres eingespielt haben.

Und dann sind da die beiden Bands, die Helm hingebungsvoll pflegt. Relativ jung, 2014 „aus einer Schnapsidee heraus entstanden“ und fast immer ausverkauft sind die Konzerte des „Leonard Cohen Tribute“-Projekts. „Der Cohen, das ist mein Ding“, sinniert Helm. „Die Aura, die Stimme, die Texte, die Melodien – der Typ war irgendwie anders, eigen.“

Und – schwupps – zupft er melancholischen Blicks die Akustikgitarre und brummt versonnen vor sich hin: „Suzanne takes you down. . .“ Klar, dass Helm bei Konzerten wie der Meister stilecht mit Hut und Anzug auftritt.

Weitaus legerer geht’s beim fidelen Dauerbrenner „Sarrebruck Libre“ zu, wo – abgesehen von Backgroundsängerin Johanna Ernst – die gleiche Mannschaft agiert: Am Schlagzeug sitzt Helms langjähriger Weggefährte Jürgen „Sandy“ Sandmeyer, den Kontrabass bedient Jochen Lauer, Bernhard Wittmann greift in die Tasten von Keyboard und Akkordeon, und Wolfgang Wehner geigt dazu.

Die Keimzelle von „Sarrebruck libre“ brütete Helm mit dem Akkordeonisten Norbert Hitzelberger aus, bald wuchs das Projekt zur Band – benannt nach dem Protestlied, mit dem Helm ein atomfreies Saarbrücken forderte. Seit dem Jahr 1987 huldigt das Ensemble nun schon der Kombination aus amerikanischen Cajun-Klängen mit französischem Musette-Rock und Saarbrigger Platt.

Mittlerweile sind fünf CDs auf dem Markt, Helm hat über 50 Mundart-Titel als Hommage an Land, Leute und Grenze geschrieben – da mag man kaum glauben, dass er in Offenbach am Main geboren wurde und erst mit acht Jahren hier herkam. „Ich bin Saarländer mit Leib und Seele!“, beteuert Helm. „Saarbrücken ist meine Heimat, mein Planet ist Saar-Lor-Lux.“ Sein Blick schweift zum Gemälde von Jimi Hendrix, das gegenüber der Couch das heimische Wohnzimmer dominiert. Helm guckt erst nachdenklich, dann verschmitzt.

„Ich bin und bleibe halt ein alter Rock‘n‘Roller“, sagt er achselzuckend. „Und ich bin froh, das immer noch leben zu dürfen!“

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