Ausstellung Zwei Frauen, zwei Welten, eine Ausstellung

Saarbrücken · Eine Begegnung mit den Künstlerinnen Parastou Forouhar und Nadja Verena Marcin in der Saarbrücker Stadtgalerie. Ihre Ausstellung ist noch bis 16. Februar zu sehen.

 Feminismus mit Humor: Die Künstlerin Nadja Verena Marcin will sich selbst in das Gemälde „Ophelia“ von John Millais werfen. Die Original-Ophelia hat sie entfernt.

Feminismus mit Humor: Die Künstlerin Nadja Verena Marcin will sich selbst in das Gemälde „Ophelia“ von John Millais werfen. Die Original-Ophelia hat sie entfernt.

Foto: Sebastian Dingler

In der Stadtgalerie ist jetzt eine Ausstellung zweier Künstlerinnen eröffnet worden, die mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufweisen – je nach Blickwinkel. Beiden gemeinsam ist gesellschaftspolitische Kritik.

Der im Iran aufgewachsenen Parastou Forouhar geht es um die Abrechnung mit dem Mullah-Regime, dessen Geheimdienst 1998 ihre Eltern ermordete. Nadja Verena Marcin dagegen will mit ihrer Ausstellung „Ophelia“ eine Parallele ziehen „zwischen der historischen Sprachlosigkeit von Frauen gegenüber der männlichen Dominanz und der Sprachlosigkeit der Gesellschaft gegenüber den Zerstörungen der Natur“. Inspiriert wurde die 1982 Geborene durch das Gemälde „Ophelia“ von John Millais aus dem Jahr 1858. Es zeigt die in einem Bach treibende Figur aus Hamlet, die kurz vor dem Ertrinken ist. Marcin hat das Gemälde stark vergrößert und die Ertrinkende daraus einfach entfernt. Denn sie selbst will in ihrer Live-Performance zur Vernissage die Ophelia darstellen.

Dazu wird sie in ein Aquarium steigen und unter Wasser ein Gedicht des russischen Dichters Daniil Kharms vortragen. Danach übernimmt eine Videoinstallation die Rolle der Live-Performance.

Marcins Arbeiten sind vom Feminismus geprägt, enthalten aber immer eine Prise Humor. So ist das auch bei jenem Foto, das sie selbst in Jeanne-d’Arc-Pose zeigt, ein Schwert mit einem Kaktus als Klinge haltend. Nicht nur die Jungfrau von Orléans habe Marcin dabei inspiriert, sondern auch die Jedi aus den Star-Wars-Filmen. Der Hintergrund zeigt die archäologische Stätte El Fuerte in Bolivien.

Ebenfalls selbst in Szene gesetzt hat die Künstlerin sich in der Videoschleife mit dem Titel „How to Undress in Front of Your Husband“. Der Film ist ein Remake eines humoristisch gemeinten amerikanischen Kurzfilms von 1937. Darin beschreibt ein Sprecher zwei verschiedene Frauen beim Ablegen ihrer Bekleidung: Einmal, wie es aus seiner männlichen Perspektive richtig gemacht werden sollte – und einmal, wie nicht.

Marcin spielt in ihrer Version beide Frauen selbst. „Ich bin so schizophren aufgewachsen, dass ich mich so benehmen durfte, wie ich wollte. Aber zu besonderen Anlässen wurde mir gesagt, wie ich mich zu benehmen hätte.“ Das Original fand sie einerseits „bescheuert“, aber auch spannend, weil es „dieser Stimme im Kopf, wie man sich benehmen sollte“, einen Ausdruck verleiht.

Parastou Forouhars Ausstellung nennt sich „Deadlines“. Einerseits will sie nicht erklären, was sie mit ihren Arbeiten ausdrückt. „Was ich an politischer Kunst nicht mag, ist diese Eindeutigkeit, deshalb versuche ich das zu vermeiden.“ Andererseits spricht sie doch über einige Hintergründe, die der oberflächliche Betrachter nicht unbedingt wahrnimmt.

Ein Video etwa zeigt eine karge Fläche im Iran, auf der ein paar Blumen blühen – es ist ein Massengrab von politischen Gefangenen, die 1988 hingerichtet wurden. „Das ist so eine Art verbotener Friedhof. Ein verbotener Ort, den man überhaupt nicht sieht. Wo man mit dem Organ Auge gar nicht wahrnehmen kann, welche Geschichte dahintersteckt.“

Forouhars Eltern liegen dort nicht, aber ein Raum der Ausstellung ist ihnen gewidmet. Er zeigt die Aufklärungsarbeit, die die Tochter bis heute betreibt. Korrespondenz mit Behörden, Politikern und Menschenrechtsorganisationen, Zeitungsartikel und Briefe sind dort an die Wand gepinnt. Ein Kopiergerät soll es Besuchern ermöglichen, Dokumente mitzunehmen, „damit sie an dem Prozess der Aufklärung und der Erinnerungsarbeit teilnehmen können“.

Ein weiterer Raum zeigt ein Muster aus Augen, unterbrochen von menschlichen Figuren, die die Hände vors Gesicht halten. Es muss in der Tat nicht interpretiert werden – in Kenntnis von Forouhars Lebensgeschichte wirkt das einfach auch so. Ähnlich ist das mit der Wand, die scheinbar schöne Schmetterlinge zeigt. Von Nahem erkennt der Betrachter gepeinigte Menschen, Zielscheiben und Gitterstäbe.

Die seit 1991 in Deutschland lebende Forouhar reist nach wie vor in den Iran, auch wenn sie dort zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. „Das ist so eine Art Damokles-Schwert. Ich kriege dort immer wieder Probleme, durfte auch schon mal nicht ausreisen. Aber ich will das nicht aufgeben. Es ein Teil meines Lebens.“

 Figuren, die sich die Augen zuhalten, innerhalb eines Meeres von Augen: Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar arbeitet ihr Verhältnis zum Mullah-Regime auf.

Figuren, die sich die Augen zuhalten, innerhalb eines Meeres von Augen: Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar arbeitet ihr Verhältnis zum Mullah-Regime auf.

Foto: Sebastian Dingler

„Deadlines“ von Parastou Forouhar und „Ophelia“ von Nadja Verena Marcin, sind noch bis zum 16. Februar in der Stadtgalerie, St. Johanner Markt 24, zu sehen. Öffnungszeiten der Stadtgalerie: Dienstag bis Freitag 12 bis 18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertage 11 bis 18 Uhr.

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