Interview Das Theaterstück zur Generation Internet

Saarbrücken · Im Stück „1 yottabyte leben“ verliert sich eine junge Frau im Internet. Das Saarländische Staatstheater sicherte sich die Rechte für die Uraufführung.

 Olivia Wenzel lebt als Autorin in Berlin.

Olivia Wenzel lebt als Autorin in Berlin.

Foto: Juliane Werner/JULIANE WERNER

In der Sparte 4 des Saarländischen Staatstheaters gibt es am heutigen Freitagabend eine Uraufführung: „1 yottabyte leben“, geschrieben von der jungen Autorin Olivia Wenzel. Das Stück erzählt eine Geschichte von heute, eine Geschichte aus dem Internet sozusagen. Wir haben vorab mit der Autorin geredet.

In ihrem Stück „1 yottabyte leben“ verliert sich eine junge Frau, eine Influencerin, in der Abgeschlossenheit ihres Hotelzimmers im rastlosen Strudel des weltweiten Netzes. Ein durchaus naheliegendes, aktuelles Thema, könnte man sagen. Was war Ihr Antrieb, es aufzugreifen?

Olivia Wenzel: Die Initialzündung zu diesem Text ist autobiographisch. Ich habe mich, als ich anfing, das Stück zu schreiben, in einer ähnlichen Situation befunden: Untergebracht in einem Münchner Hotelzimmer, wollte ich am Morgen losgehen, um einen Workshop zu besuchen. Da kam die Rund-SMS von der Produktionsleitung der Kammerspiele: Wir Gäste sollten besser noch im Hotel bleiben, bis es Entwarnung gebe, in unserer Nähe sei eventuell ein Amokläufer unterwegs. Ich fing dann an, verschiedene, innerhalb kürzester Zeit rassistische Threads auf Twitter rings um den vermeintlichen Amoklauf zu lesen, und ging mit einer halben Stunde Verspätung los.

Aber die rassistischen Thesen standen im Raum. Dem Internet sei „Dank“. Und zu diesem Thema arbeiten Sie?

Olivia Wenzel: Ich bin Teil des Cobra-Theater-Netzwerks. Viele meiner Freundinnen und Freunde und meiner Kolleginnen und Kollegen dort haben in den letzten Jahren zu und mit dem Internet gearbeitet. So haben sie etwa am Theater an der Parkaue (dem Berliner Staatstheater für ein junges Publikum, Anm. d. Red.) das „Haus der digitalen Jugend“ gegründe, und in Inszenierungen die Art, wie wir uns durchs Internet bewegen und darin kommunizieren, auf die Bühne gebracht. Dabei haben sie vor allem ausgelotet, wie man den vielfältigen Sprech aus „digitalen Räumen“ als Kunstsprache ernstnehmen und inszenieren kann.

Glamsquad heißt Ihre Hauptfigur. Ein eigentümlicher Vorname. Ich habe im Internet dazu nur gestylte Frauen mit Glamour-Make-up gefunden. Wie kommen Sie auf diesen Namen? Ohne Hintergedanken war das ja sicher nicht.

Olivia Wenzel: Eine schöne und schreckliche Sache im Internet ist doch: Alles kann alles bedeuten, von unzähligen „Usern“ jederzeit umgedeutet werden, nichts ist dauerhaft eindeutig. Und immer lesen wir online Dinge, die wir nicht gänzlich begreifen, behelfen uns dann googelnd mit Zusatz-Informationen, wollen uns also Internet mithilfe von Internet erklären, stutzen ungläubig, wenn wir in einer Sackgasse landen. Schließlich geht es doch online immer irgendwo weiter, schließlich ist das Internet niemals aus, schließlich gibt es irgendwo immer noch einen Link, der unsere Aufmerksamkeit verdient und unsere Neugier befriedigen kann.

Das erklärt mir jetzt allerdings nicht die Wahl dieses Namens, ehrlich gesagt.

Olivia Wenzel: Stimmt. Ich finde es spannender, welche Assoziationen der Name wecken kann, wenn man nicht weiß, welche Überlegungen und Websiten dahinterstecken.

Sie leben in Berlin. Wie kommt es, dass ihr Stück am Saarländischen Staatstheater uraufgeführt wird? Gibt es da besondere Kontakte?

Olivia Wenzel: Ich werde mit Theatertexten und Prosa vom S. Fischer Verlag vertreten, der sitzt in Frankfurt am Main. Die Uraufführung in Saarbrücken verdankt der Text also vermutlich den Kontakten des Verlags. Außerdem war der Text 2018 zum Berliner Stückemarkt eingeladen; vielleicht wurde da schon ein Saarbrücken Auge draufgeworfen.

Haben Sie eine Erwartung, wie es auf der Bühne aussehen sollte oder können Sie Ihre Stücke ganz locker loslassen?

Olivia Wenzel: Das Stück „1 yottabyte leben“ ist ein Monster; ich habe keine Ahnung, wie man es szenisch umsetzen kann, und deshalb ist das auch nicht meine Aufgabe. Loslassen fiel und fällt mir leicht. Außer, was die Besetzungspolitik anging – da habe ich Wünsche geäußert und ein wenig festgehalten.

Welche Wünsche waren das?

Olivia Wenzel: Es wäre absurd, ein Stück, in dem die Hauptfigur sich unter anderem mit Rassismus-Erfahrungen auseinandersetzen muss, komplett weiß zu besetzen. Solange der erschreckende Großteil der Schauspielhäuser nicht divers ist – und das meint nicht nur Hautfarben oder Nationalitäten, und auch nicht nur auf der Bühne –, finde ich es notwendig, solche Forderungen zu stellen.

Kommen Sie zur Premiere?

Olivia Wenzel: Leider schaffe ich es nicht, ich hatte sehr darauf gehofft. Mit etwas Glück kann ich es einrichten, zu einer späteren Vorstellung zu kommen.

Eine letzte Frage: Wann haben Sie eigentlich Ihr erstes Smartphone gekauft, und was hat das verändert…?

Olivia Wenzel: Ich habe mir, glaube ich, 2012 ein Fairphone bestellt, weil ich in Gruppenchats von Freundinnen und Freunden dabei sein wollte. Das Handy hatte damals noch den Bug (Softwarefehler, Anm. d. Red), dass, wenn mir jemand das Zeichen „=“ gesendet hat, das Handy neu gestartet wurde. Das haben einige Leute eine Zeitlang gern ausgenutzt.

Uraufführung Freitag, 17. Januar, 20 Uhr, Sparte 4 in der Eisenbahnstraße. Karten unter Tel. (06 81) 30 92-4 86.

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