Fadenkunst Ohne Strich, aber mit Faden

Saarbrücken · Mit Nägeln und Faden haben Workshopteilnehmer die unterschiedlichsten Motive gebastelt. Unser Autor hat mitgemacht.

 Ob mit oder ohne Vorlage, die Teilnehmer am Workshop Fadenkunst spannen buntes Garn um Nägel, um so Kunstwerke zu erschaffen.

Ob mit oder ohne Vorlage, die Teilnehmer am Workshop Fadenkunst spannen buntes Garn um Nägel, um so Kunstwerke zu erschaffen.

Foto: Tobias Ebelshäuser

Eine glatte Vier in Kunst. Das war meine schlechteste Note auf meinem Zeugnis der dritten Klasse. Meine Klassenlehrerin, hart aber herzlich, gab mir sogar den Spitznamen „Bastelkünstler“, weil ich so glänzend unbegabt war. Diesen Namen wurde ich so schnell nicht mehr los.

An das Basteln in der Grundschule hatte sich auch Annette Calleja aus der Kunstvermittlung der Modernen Galerie ein wenig erinnert gefühlt. Letztes Jahr, als die amerikanische Künstlerin Pae White, natürlich in deutlich größerem Stil, ihre Fäden für die Ausstellung „Spacemanship“ durch die neuen Räumlichkeiten des Museums gespannt hat. „String Art“ heißt diese Kunstrichtung im Jargon, zu Deutsch Fadenkunst. Also lag die Idee nahe, diese Kunst als Workshop für Schulkinder im Museum anzubieten. Die Idee dahinter: In ein Holzbrett werden in einer bestimmten Anordnung Nägel gehauen, als eine Art Anker, wo dann Fäden angeknotet und entlang gespannt werden und verschiedenste Motive entstehen lassen.

Diesen Monat wurde dieser Workshop jetzt für einen Termin des „artclubs“ angeboten. Der artclub ist ein Projekt der Fördergesellschaft der Modernen Galerie. Jeden Monat gibt es eine andere Veranstaltung, ob Führungen, verschiedene Ausstellungsbesuche oder Workshops, meist sind sie an ein jüngeres Publikum gerichtet. Oder ganz allgemein an Menschen, die normalerweise nicht so einfach in dieses Museum kämen.

Das beste Beispiel: Jade Wagner. Sie kommt von ganz weit weg, aus Perth, im Südwesten Australiens. Sie ist zu Besuch in Saarbrücken bei ihrer Tante, die sie mit in diesen Workshop gebracht hat. „Weil meine Tante immer alles in der Zeitung liest“, sagt sie, sehr stark in australischem Englisch. Sie sitzt gegenüber am Tisch im Atelier, ihr Blick wechselt die ganze Zeit zwischen konzentriert und leicht überfordert. Sie hat sich für eine Vorlage entschieden, eine Sonne. Jade Wagner ist eher, nennen wir es Basteltyp A. Denn in dieser Kunst gibt es eigentlich nur zwei Arten von Menschen. Die, die versuchen, etwas Richtiges nach Plan zu erschaffen, etwas, das sich am Ende präsentieren lässt, und die, die einfach drauflos hämmern und am Schluss mal sehen, was dabei rauskommt.

Letzteres ist eher bei Kindern der Fall, sagt Claudia Vogel, die Künstlerin, die den Workshop leitet. „Die sind meist etwas kreativer, was die Motive angeht“, sagt sie. Meistens schenkten sie den Vorlagen aus den Büchern gar nicht viel Beachtung und legten gleich los, ohne großen Plan, ein Endergebnis gar nicht so wichtig. „Die sind einfach noch nicht so verkopft wie wir Erwachsene“, sagt sie.

Wirklich nicht verkopft und kreativ scheint auch der Mann rechts von mir am Tisch zu sein. Er ist ganz klar Basteltyp B, auch wenn er kein Kind mehr zu sein scheint. Er fängt an ohne Plan, spannt wild umher zwischen den Nägeln, baut sogar einen Bleistift vom Atelier-Tisch mit ein.

Und ich? Aufgrund meiner eher bescheidenen Bastel-Fähigkeiten bin ich zwangsweise Typ A. Meine ganze Konzentration richtet sich auf die Technik, die Nägel richtig in das Brett zu hauen und die Fäden richtig zu spannen und zu verknoten. Keine Zeit für viel Kreativität. Am Schluss ist das Ergebnis, tatsächlich, besser als erwartet. Aus einem simplen Nagel-Dreieck wurde ein blau-lila-rotes Fadendreieck, das in der Mitte einen kleinen freien Kreis lässt.

 Unser Autor hat mit Fäden ein Dreieck gebastelt.

Unser Autor hat mit Fäden ein Dreieck gebastelt.

Foto: Tobias Ebelshäuser

Ich bin jedenfalls zufriedener mit meinem Meisterwerk, als Jade Wagner von gegenüber es mit ihrem ist. „Sieht irgendwie ziemlich stark nach Grundschule aus“, sagt sie über ihre Faden-Sonne, nur schwer aus ihrem australischen Akzent zu entschlüsseln. Auf die Frage, ob es ihr trotzdem Spaß mache, antwortet sie aber so, dass man es auch ohne große Englischkenntnisse verstehen kann. „Yes, Yes, Yes!“, sagt Jade Wagner. Ob ihr Kunstwerk allerdings den weiten Weg zurück in die Heimat nach Perth schafft, das lässt die Australierin noch offen.

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