Neue Meldepflicht für Borreliose umstritten

Saarbrücken. Als erste der alten Bundesländer führten das Saarland und Rheinland-Pfalz im August 2011 die Meldepflicht für Borreliose ein (wir berichteten)

Saarbrücken. Als erste der alten Bundesländer führten das Saarland und Rheinland-Pfalz im August 2011 die Meldepflicht für Borreliose ein (wir berichteten). Deshalb müsste die Situation der Patienten, die an der durch Zecken übertragenen Infektion leiden, hier eigentlich viel besser sein als in anderen Bundesländern, meint Ute Fischer, Sprecherin des Borreliose und FSME Bund Deutschland (BFBD). Doch die Realität sehe anders aus, behauptet die Patientenorganisation."Das Problem von Kassenpatienten, im Saarland kompetente Ärzte zu finden, die sich mit der durch Zecken übertragenen Lyme-Borreliose auskennen, hat sich seit der Einführung der Meldepflicht nicht verkleinert", kritisiert die Sprecherin. Viele würden sich daher an den umliegenden Bundesländern orientieren und seien weiterhin auf Ärztetourismus angewiesen. Die vielfältigen Gründe erörterten jetzt Vertreter des Verbandes mit Gesundheits-Staatssekretärin Gaby Schäfer (CDU).

"Zum einen kann man Ärzte nicht zur Fortbildung zwingen. Zum anderen werden die willigen Ärzte von der Kassenärztlichen Vereinigung mit dem Einsatz von nicht standardisierten Testverfahren gegängelt und ausgebremst, wenn sie zuverlässigere, teurere Testverfahren einsetzen wollen - selbst wenn diese Kassenleistung sind", erklärt Fischer. Borreliose-Antikörper-Tests seien nach wie vor unzuverlässig. Ein positiver bestätige die Infektion nicht, ein negativer könne diese nicht ausschließen.

Die Ärzte seien zwar bereit, eine frühe Borreliose zu behandeln, aber nicht ausreichend hoch dosiert und lange genug. Daraus entstünden dann chronische Krankheiten, deren Behandlung einige tausend Euro kosten könnte, was nicht mehr ins Budget eines Kassenarztes passe, so die Sprecherin. Deshalb seien die Patienten zunehmend darauf angewiesen, Ärzte auf eigene Kosten zu konsultieren.

Bei ihrem Gespräch mit den BFBD-Vertretern habe die Staatssekretärin auf die ärztliche Selbstverwaltung verwiesen, in die auch politisch nicht eingegriffen werden könne, berichtet Fischer. Deshalb habe Schäfer dem Verband vorgeschlagen, mit der Ärztekammer zu sprechen. Dennoch habe der BFBD-Vorsitzende Manfred Wolff das Ministerium um Vermittlung gebeten, da die Politik mehr Aufmerksamkeit von den ärztlichen Standesvertretern zu erwarten habe als einzelne Patientenvertreter, so Fischer. Aus Datenschutzgründen sei keine Kassenärztliche Vereinigung bereit, Absolventen von Borreliose-Fortbildungen zu nennen. Das Wissensdefizit der Ärzte komme daher, das die Infektiologie und klinische Pharmakologie erst seit 2003 wieder in die Lehre eingeführt wurden, steht für den BFBD fest. Barbara Gärtner, Professorin am Homburger Universitätsklinikum, hält dieser Ansicht entgegen, dass man den Medizinern schon viel früher Wissen über Infektions-Krankheiten vermittelt habe.

Auch die Ärztekammer des Saarlandes, die erst durch die SZ-Anfrage auf den Sachverhalt hingewiesen wurde und sich überrascht über die Aussagen des BFBD zeigt, kontert: "Es ist von unserer Seite schwer nachvollziehbar, dass es hier Probleme geben könnte. Die saarländischen Ärztinnen und Ärzte führen fast 3000 Fortbildungsveranstaltungen jährlich durch", sagt Kammer-Präsident Josef Mischo. Zum Thema der durch Zecken übertragenen FSME habe es im Juni ein entsprechendes Angebot gegeben. Die Kammer biete dem BFBD gerne ihre Hilfe an und lade diesen ein, mögliche Probleme in einem Gespräch zu erörtern, erklärte Mischo.

Meinung

Teure Unkenntnis

Von SZ-RedakteurUlrich Brenner

Der Biss eines Spinnentiers kann auch in Deutschland Leben zerstören - in allen Regionen. Beim Thema Zeckenbiss mag sich mancher Saarländer lange damit getröstet haben, dass seine Heimat nicht als FSME-Risiko-Gebiet galt. Dabei kann die auch von vielen hiesigen Zecken übetragene Borreliose schleichend schwerste Schäden an Gelenken und Nervensystem verursachen. Wie verbreitet die Gefahr ist, beweist die neue Meldepflicht im Saarland - mit Hunderten Fällen nach wenigen Monaten. Ob der Vorwurf stimmt, saarländische Ärzte wüssten zu wenig über die Krankheit, wie ihn die Patientenorganisation BFBD erhebt, sei dahingestellt. Aber gut, dass der Verband trommelt. Denn dass die Krankheit lange unterschätzt wurde, ist unstrittig. Und auch, dass es sich für die Kassen lohnt, in die Diagnose zu investieren. Eine übersehene Borreliose wird teuer.

Hintergrund

Borreliose ist eine allgemeine Bezeichnung für verschiedene Infektionskrankheiten, die durch Bakterien aus der Gruppe der Borrelien (Spirochäten) ausgelöst werden. Die Erkrankungen können durch den Befall von Körpergewebe vielfältige klinische Symptome auslösen. Die Übertragung erfolgt vor allem durch Zecken und durch Läuse. Die Borreliosen sind nach dem französischen Bakteriologen Amédée Borrel benannt. red

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