Protest in Saarbrücken Nach Demo durch City Ärger wegen Festnahme

Saarbrücken · Teilnehmer eines Protestmarsches in Saarbrücken werfen der Polizei Unverhältnismäßigkeit vor. Die Ermittler verteidigen ihr Vorgehen.

 Die Polizei hat am Ende der spontanen Demo einen Mann (Bildmitte) festgenommen. Ihm werfen sie vor, für den ungenehmigten Marsch durch die Saarbrücker Innenstadt verantwortlich zu sein.

Die Polizei hat am Ende der spontanen Demo einen Mann (Bildmitte) festgenommen. Ihm werfen sie vor, für den ungenehmigten Marsch durch die Saarbrücker Innenstadt verantwortlich zu sein.

Foto: Kai Schwerdt

Mit einer Demonstration seine Meinung kundtun, ist demokratisches Grundrecht. Allerdings sind auch bei einem Protest Gesetze einzuhalten. Ob während einer aktuellen Versammlung in der Landeshauptstadt gegen sie verstoßen wurde, da sind sich Kundgebungsteilnehmer und Polizei uneins. Kritiker sehen den Einsatz der Ermittler, der seinen Höhepunkt in einer vorläufigen Festnahme fand, als überzogen an. Einige fühlen sich dadurch sogar in ihren Grundrechten verletzt.

Wie Sven Sonnhalter. Er hatte sich im Anschluss an eine bei Behörden angemeldete Mahnwache vor der Saarbrücker Europagalerie einem Marsch durch die Innenstadt angeschlossen. Rund 120 Demonstranten aus der Gruppe von etwa 600 Menschen, die sich an dem friedlichen Protest gegen die europäische Flüchtlingspolitik beteiligten hatten, zogen dabei durch die Bahnhofstraße über den St. Johanner Markt bis vor die Zentrale der CDU nahe der Mainzer Straße. Von dort ging’s auf den Landwehrplatz an der Alten Feuerwache, wo sich der bis dahin ohne Zwischenfälle verlaufene Zug auflöste.

Während der gesamten Zeit begleiteten Polizisten die Marschierenden. Sonnhalter: „Sie filmten uns dabei, doch das Bundesverfassungsgericht hat dem längst enge Grenzen gesteckt.“ Sprich: Seiner Ansicht nach habe es überhaupt keinen triftigen Grund gegeben, die Kamera auf die Demonstranten zu richten. Sicherheitsbedenken, dies zu tun, sollen aus seiner Sicht nicht im Geringsten bestanden haben.

Dies sieht ein Sprecher der federführenden Polizeiinspektion St. Johann anders. Denn bei der nicht angemeldeten Demonstration habe es sich durchaus um eine „Gefahrensituation“ gehandelt. „Wir mussten filmen, damit sich Teilnehmer nicht unerkannt entfernen, wenn es zu Straftaten kommt“, begründete er den Einsatz von Überwachungskameras. So seien seine Kollegen zum Schluss gekommen, als sich die Protestler in Bewegung setzten, dass es zu Zwischenfällen kommen könnte. Ausgangspunkt sei gewesen, dass deren Demo nicht angemeldet worden sei. Und damit werteten die Polizisten den Marsch als illegal.

Auch hier erntet der Polizeisprecher Widerspruch. „Es handelte sich dabei um eine Spontan-Versammlung“, die sich aus einer angemeldeten Veranstaltung heraus auf den Weg machte. Und genau dies sei vom Versammlungsrecht gedeckt.

Prinzipiell habe Sonnhalter damit Recht, stimmt der Polizeisprecher zu. Allerdings gebe es einen wichtigen Unterschied: Die ungenehmigte Kundgebung weise einen Veranstalter auf, so der Verdacht. Damit gehen die Fahnder davon aus, dass die Demonstration durch Saarbrücken keineswegs so spontan auf die Beine gestellt worden ist, wie es Teilnehmer behaupten. Damit sei die Voraussetzung einer Sofortversammlung ad absurdum geführt.

Als Beweis dafür führt er die Festnahme am Ende der Veranstaltung auf dem Vorplatz der Alten Feuerwache an. Der Behördenvertreter bestätigt auf Anfrage, dass Polizisten einen „Heranwachsenden aus dem Saarland“ geschnappt haben. Mehr wollte er zur Identität und Herkunft des Mannes nicht preisgeben. Nachdem seine Personalien erfasst worden waren, sei er wieder freigekommen.

Jener junge Mann seinerseits greift das polizeiliche Verhalten scharf an. So seien „zwei Polizeikräfte von hinten auf ihn losgegangen“. Dann sollen sie ihn vor den übrigen Teilnehmern niedergerissen und zu einem Einsatzwagen geführt haben. Er sei sich keiner Schuld bewusst; den Vorwurf der Fahnder, er sei für eine illegale Demo verantwortlich, weist er weit von sich.

Zwei Stunden habe er anschließend in der St. Johanner Wache ausharren müssen, anderthalb Stunden davon ohne Infos über die Hintergründe seiner Festnahme. In dieser Zeit sollen ihm die Beamten den Kontakt zu einem Anwalt verweigert haben. Der Beschuldigte beteuert, sich als Privatmann dem Protest angeschlossen zu haben. Er habe sich als „Einzelperson“ nach der Mahnwache angeschlossen, weil „mir die Thematik sehr wichtig ist“. Unterdessen möchte er anonym bleiben, weil er Anfeindungen in sozialen Netzwerken befürchtet.

In einschlägigen Internetforen hagelt es mit Blick darauf ebenfalls harsche Kritik am Polizeieinsatz. Von bis zu zehn Beamten ist dort die Rede, die sich „martialisch“ auf den Verdächtigen gestürzt und ihn zu Boden gerissen haben sollen. Dabei sei von Gegenwehr überhaupt keine Rede gewesen. Zur Gangart der festnehmenden Polizisten machte der Sprecher keine Angaben.

„Spontanversammlungen werden nicht von langer Hand vorbereitet, sondern entstehen aus aktuellem Anlass augenblicklich und können deshalb keinen die Versammlung veranlassenden Veranstalter haben.“ So schätzt Jürgen Wohlfahrt allgemein das Recht auf Versammlungsfreiheit ein. Der Verwaltungsdezernent für Rechts- und Ordnungswidrigkeiten bei der Stadtverwaltung sieht dabei deren Schutz im Grundgesetzt verankert. Skeptisch ist er indes im vorliegenden Fall: „Nach meiner Überzeugung kann aus einer angemeldeten Versammlung keine Spontanversammlung werden“, teilt er schriftlich mit. Vor allem gelte dies, wenn zeitliche und inhaltliche Auflagen „auf diesem Weg überspielt werden sollen“.

Der Demonstration vom Donnerstag vergangener Woche, die nun für den Ärger zwischen Teilnehmern und Polizei sorgt, war eine genehmigte Kundgebung des Aktionsbündnisses Bunt statt braun vorausgegangen. Mit Reden wandte sich der Protest mit Blick auf die Menschen, die bei ihrer Flucht im Mittelmeer ertrinken, gegen die Politik europäischer Staaten. Viele verweigern den Landgang.

Gleichzeitig stünden Seenotretter an dem Pranger, einige müssen sich mittlerweile vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Sie operierten als Flüchtlingshelfer. Die Mahnwache stand unter dem Titel „Gegen das Sterben im Mittelmeer“. Nach Veranstalterangaben seien seit Jahresbeginn bereits 1600 Menschen ertrunken.

 „Gegen das Sterben im Mittelmeer“ lautete das Motto der genehmigten Mahnwache. Veranstalter war das Aktionsbündnis Bunt statt braun.

„Gegen das Sterben im Mittelmeer“ lautete das Motto der genehmigten Mahnwache. Veranstalter war das Aktionsbündnis Bunt statt braun.

Foto: BeckerBredel

Bunt statt braun gehören neben Parteien auch Initiativen und Vereine an. Gewerkschaften beteiligen sich ebenso.

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