Reportage Nachgehört: Musikunterricht virtuell, wie klappt das?

Saarbrücken · „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, das wusste bekanntlich schon Friedrich Nietzsche. Und irrtümlich fühlt sich unser Leben im Moment wahrlich genug an.

 Laptop und Klavier, so funktioniert derzeit der Musikunterricht zu Hause im Musikzimmer von Ivette Kiefer.

Laptop und Klavier, so funktioniert derzeit der Musikunterricht zu Hause im Musikzimmer von Ivette Kiefer.

Foto: Ivette Kiefer

Der Verzicht auf Musik könnte also alles nur noch viel schlimmer machen. Und das muss nun wirklich nicht sein.

Das dachte sich auch die Musikschule der Landeshauptstadt Saarbrücken und trotzt wie viele andere Musikschulen der Corona-bedingten Schulschließung mit Fernunterricht. Noten und Übungspläne werden per Mail verschickt. Musikschüler können Video- oder Tonaufnahmen an ihre Lehrer senden und so Rückmeldung zu ihrem Fortschritt erhalten. Und das gute alte Telefon gibt es schließlich auch noch bei größeren und kleineren Übungsproblemen.

Man will den Schülern „Kontinuität, Förderung und Unterstützung bieten“ in diesen schwierigen Zeiten, betont Ivette Kiefer, Klavierlehrerin und Leiterin des Fachbereichs Tasteninstrumente und Sologesang. Zu den gewohnten Unterrichtszeiten geht es für sie im Moment statt in die Musikschule ins heimische Musikzimmer. Von dort unterrichtet sie ihre Schülerinnen und Schüler per Telefon oder Videochat. Den Unterricht fortzuführen sei nicht nur wichtig, weil „wir alle Strukturen brauchen“, wie Kiefer sagt. Das Musizieren sei immer auch „ein wunderbarer Ausgleich. Die Schüler wollen und brauchen das jetzt auch“, betont sie. Das Gelingen solch eines Fernunterrichtes hänge natürlich auch ein wenig vom Fach ab, sagt Kiefer. Die komplette Ausrüstung etwa habe nicht jeder Schlagzeug-Schüler zuhause, auch die Feinheiten des Gesangstrainings seien virtuell möglicherweise schwierig zu vermitteln.

 Bei Blockflöte, Gitarre und Klavier hingegen sehe sie keine Probleme. Klar, „das direkte, unmittelbar Zwischenmenschliche fehlt“, bemerkt Kiefer. Aber fachlich mache es keinen großen Unterschied zum normalen Unterricht. Auch ihre Schüler erlebe sie „höchst motiviert“, genauso, wie sie sie sonst auch kenne. Die meisten kennt sie lange, man ist „vertraut“, sagt sie, und dadurch auch am Telefon oder Videochat ein eingespieltes Team.

Johanna Cornelia Löw ist eine dieser Schülerinnen. 15 Jahre ist sie alt, spielt Klavier seit sie vier war, 378 Klavierstunden hatte sie bisher, das weiß sie ganz genau. Beim Regionalwettbewerb von „Jugend musiziert“ war sie schon oft dabei, sowohl mit der Altblockflöte als auch mit dem Klavier. In diesem Jahr hat sie es auch in den Landeswettbewerb geschafft, der aufgrund der Corona-Krise abgesagt werden musste.

Aber Johanna Löw will für die Zeit nach Corona fit am Klavier bleiben, übt auch deswegen weiter. Außerdem sei es ein „guter Ausgleich zu den vielen Schulaufgaben am Computer“. Der Unterricht am Telefon oder per Videochat habe sie zunächst etwas befremdet, sagt Löw. Aber Ivette Kiefer, ganz Profi, habe das „gut gemacht“,  und so habe sie sich schnell umgewöhnen können.

Johanna Löw scheint Optimistin zu sein, sieht im Fernunterricht sogar den ein oder anderen Vorteil. Wenn sie etwa ein neues Stück zum Üben bekommt, kann sie es sich zunächst auf YouTube von einem Star-Pianisten vorspielen lassen. Außerdem habe sie da diesen Neujahrsvorsatz gehabt: „Ich will in diesem Jahr jeden Tag Klavier spielen“, erzählt Löw. Zwei Klassenfahrten hätten diesen Plan allerdings durchkreuzt.

 Johanna Cornelia Löw nimmt ihren Klavierunterricht derzeit online. Per Smartphone ist Ivette Kiefer zugeschaltet, wenn sie übt.

Johanna Cornelia Löw nimmt ihren Klavierunterricht derzeit online. Per Smartphone ist Ivette Kiefer zugeschaltet, wenn sie übt.

Foto: Löw

 Da diese aber ebenfalls abgesagt wurden, steht ihrem Vorhaben nun nichts mehr im Wege. Der Heimunterricht macht ihr „viel Spaß“, sagt sie, „nur für immer sollte es nicht sein“. Denn: In die Musikschule zu kommen, zum Raum zu gehen und dort noch den Schülern, die vor ihr dran sind, zu lauschen, das fehle ihr.

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